Filmprojekt Ein Film über Lebensfreude und Stärke

Yasemin Markstein hat mit Vanessa Ugiagbe einen Film gedreht, der einen Bundespreis erhält.

 Yasemin Markstein (l) und Vanessa Ugiagbe haben sich beim Filmen angefreundet.

Foto: Fries, Stefan (fri)

„Ich möchte der Vergangenheit Danke sagen, dass sie uns diese Zukunft gebracht hat“, sagt das Mädchen mit ernsten Blick in die Kamera. Vanessa Ugiagbe ist 15 Jahre jung, lebt seit vier Jahren in Wuppertal und ist „Just a normal Girl“. Der gut 25-minütige Dokumentarfilm ist Teil des Medienprojekts „Liebe in der Fremde“. Projektmitarbeiterin Yasemin Markstein hat ihn mit und über Vanessa gedreht. Am 8. Dezember wird er in Nürnberg mit dem deutschen Menschenrechts-Filmpreis (Kategorie Amateure) ausgezeichnet. Die 29-jährige Studentin Markstein ist auf dem Weg zur professionellen Filmemacherin.

„Der Film läuft auf zwei Ebenen, einer sachlichen und einer subjektiven“, erklärt Yasemin. Die dokumentarischen Interviews zeigen Vanessa und ihre Mutter, die ruhig und manchmal mit Tränen kämpfend ihre Geschichte erzählen. Im Kontrast dazu stehen Szenen aus Vanessas Alltag. Bewusst wackelige Sequenzen, die sie beim Einkauf, Kartenspiel, Tanzen und Singen mit Familie oder Freundin zeigen. Etwa fünf Stunden Rohmaterial liegen der Dokumentation zugrunde, die mit Untertiteln versehen ist, da Vanessas Mutter Englisch spricht.

Vanessa wuchs in Nigeria auf. Als der Vater eine politische Karriere anstrebte, veränderte sich ihr Leben. Der gesellschaftliche Druck wuchs, der Vater forderte, dass sie mit zehn Jahren beschnitten werden und mit einem alten Mann verheiratet werden solle, der Boko Haram angehörte und bereits drei Frauen hatte. Die Mutter ließ dies nicht zu, floh mit Sohn und Tochter. Nach etwa dreijähriger Odyssee und mit der Hilfe von Verwandten und Freunden kamen sie nach Deutschland, „landeten“ schließlich in Wuppertal. Hier geht Vanessa heute zur Friedrich Bayer-Realschule, strebt das Abitur an und will Schauspielerin werden. Eine Lehrerin machte sie auf das Medienprojekt Wuppertal in der Hofaue aufmerksam. Im Frühjahr absolvierte sie dort ein Schulpraktikum, lernte Yasemin kennen. Beginn einer Freundschaft, die mit dem ersten gemeinsam Projekt sicherlich nicht zu Ende ist.

Kein Mitleid, sondern mit den Freunden glücklich sein

Sie habe von Anfang an Vertrauen zu Vanessa gehabt, erinnert sich Yasemin, habe sie bewusst mit einer Handkamera losgeschickt, mit der sie sich ausprobierte. Schnell sei klar gewesen, dass Vanessa ihre Fluchtgeschichte, die eng mit der Beziehung zu ihrem Vater zusammenhängt, erzählen würde: „Ich wollte dabei ihre Persönlichkeit zeigen, ihre Stärke und Lebensfreude einfangen. Mir geht es stets um die Vielschichtigkeit von Menschen, auch um auch gesellschaftlichen Bildern und Mythen entgegenzuwirken.“ Ihre Hauptdarstellerin sieht die Regisseurin denn auch nicht als Opfer. Vanessa wiederum will kein Mitleid, will nicht durch ihre Geschichte wahrgenommen werden. „Ich möchte, dass meine Freunde mit mir glücklich sind“, sagt die 15-Jährige entschieden.

Klar, dass die beiden jungen Frauen stolz auf ihre gemeinsame Arbeit sind, die sie einander nähergebracht und verändert hat. Fiel Vanessa das Sprechen anfänglich sehr schwer, so dass ihre Mutter in den Film eingebunden wurde, ist sie nun stärker, selbstbewusster. Yasemin wiederum, die wie Vanessa mit 15 Jahren zum Medienprojekt kam und dort schon an mehreren Projekten mitgewirkt hat, ist auf ihrem Weg zur Filmemacherin vorangekommen. Im nächsten Jahr will sie an der Kunsthochschule für Medien in Köln ihr Diplom erwerben, vor allem aber weiter gesellschaftskritische Filme drehen, die „die menschliche Natürlichkeit in all ihren Facetten zeigen“. So wie ihr Lieblingsregisseur, der Iraner Asghar Farhadi.

Nun aber freuen sich die beiden auf die Preisübergabe, zu der sie gemeinsam mit Vanessas Mutter und Bruder reisen.