Buch Lebhafte Erinnerungen an die Bombennächte in Wuppertal

Wuppertal · In dem Buch „In den Wind geworfen“ schildert Lutz Hoffmann die Ereignisse seiner Kindheit.

Die noch rauchenden Ruinen des Wohnhauses der Hoffmanns nach dem Bombenangriff auf Oberbarmen am 30. Mai 1943 - vorne der gerettete Hausstand.

Foto: Lutz Hoffmann

„Die Erinnerung setzt mit einem furchtbaren Knall ein, der das ganze Haus erbeben lässt. Es ist tiefe Nacht. Wir stehen mit unserem Bettzeug im Arm schlaftrunken auf dem Treppenabsatz unserer Wohnung, um hinunter in den Keller zu rennen. Mir ist sofort klar, dass das der Einschlag einer Sprengbombe ist“.

Mit diesen Sätzen beginnt das 13. Kapitel des 2010 erschienenen Buches „In den Wind geworfen – Erinnerungen eines Kriegskindes 1938 bis 1948“ von Lutz Hoffmann. „Der Feuersturm“ ist das Kapitel überschrieben, aus dem das Zitat stammt. „Ich wohnte damals an der Freiligrathstraße“, erklärt Hoffmann, der 1935 geboren wurde. Er lebt heute in Werther bei Bielefeld.

Auf 258 Seiten beschreibt der gebürtige Wuppertaler in dem Taschenbuch die Zeit seiner Kindheit in der Nazizeit. Im Zentrum seiner Erinnerung steht die Todesangst während der Bombennächte. In zwei Kapiteln geht es hauptsächlich um den Luftangriff in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai 1943.

Das linke Bild zeigt die Familie Hoffmann Anfang der 1940er-Jahre im Garten ihrer Wuppertaler Wohnung. Rechts sieht man die noch rauchenden Ruinen des Wohnhauses der Hoffmanns nach dem Bombenangriff auf Oberbarmen am 30. Mai 1943, vorne der gerettete Hausstand.

Foto: Lutz Hoffmann

Hierbei wurden große Bereiche des Wuppertaler Stadtteils durch Spreng- und Brandbomben der britischen Royal Air Force und durch die darauf folgenden Feuerstürme zerstört. Nach diesem Großangriff auf Barmen wurden aus 3900 bis 4000 zerstörten Häusern 2732 Tote geborgen.

Derzeit ist für den ehemaligen Wuppertaler plötzlich wieder alles ganz nah. „Die Nachrichten aus der Ukraine haben vieles wieder aufleben lassen – an Bildern und auch an Emotionen.“ Die Traumata sitzen tief. Wenn irgendetwas Überraschendes passiere, gehe im das „durch und durch“, sagt er.

„Kürzlich ist mir irgendetwas ausgerutscht und auf den Kopf gefallen, und da kriegte ich einen regelrechten Schock“, berichtet er: „Weil die alten Erinnerungen, dass etwas von oben kommt, wieder durchbrachen.“ Eine Traumatherapie habe er nie gemacht, er habe es durch das Schreiben verarbeitet. Das sei so gut wie eine Therapie, meint der Autor.

„Die Stadt brennt in
ihrer ganzen Breite lichterloh“

„In der ersten Situation nach dem Angriff, die mir mein Gedächtnis heute noch zur Verfügung stellt, stehe ich fassungslos und wie gelähmt unter freiem Himmel, unterhalb unseres Hauses. Um mich herum türmen sich irgendwelche gerettete Einrichtungsgegenstände unordentlich auf. Überall ist Feuer. Die unter uns liegende Stadt brennt in ihrer ganzen Breite lichterloh“, lautet eine weitere der eindringlichen Schilderungen.

„Mit dem Verstummen der Bombeneinschläge bricht auch meine Erinnerung ab“, schreibt Lutz Hoffmann. Die Erinnerungen, die er selbst aufgrund der schrecklichen Ereignisse nach der Bombardierung verdrängt hat, werden im Buch ergänzt durch Passagen von seiner Mutter. Sie werden im Text kenntlich gemacht durch eine Kursivschrift. „Das hat sie selbst in mehreren Schritten aufgeschrieben. Zum Teil bei einem Kuraufenthalt.“ Er habe außerdem mit ihr Tonbandinterviews geführt. „Das war in den 1990er-Jahren.“

Das prägnanteste Bild, das ihm im Kopf geblieben ist, seien Ruinen und Feuer. „Bei uns war es wirklich so. Das habe ich ausführlich beschrieben, dass das Feuer über die Dächer wanderte bis zu unserem Haus. Wir wohnten am Ende einer Reihenhaussiedlung.“

Die Feuerwehr tauchte nur kurz auf und verschwand dann wieder. „Ich habe mal gelesen, dass an diesem Wochenende die Feuerwehr irgendwo im Urlaub gewesen sei, jedenfalls war die Dienstbereitschaft eingeschränkt.“ Diese Situation werde in dem Buch „Der Brand“ von Jörg Friedrich „sehr drastisch“ beschrieben. Das sei ein „dicker Wälzer“ über den Bombenkrieg 1940 bis 1945. Im ersten Kapitel werde der Angriff auf Wuppertal geschildert.

Der „Terror der Alliierten gegen die Zivilbevölkerung“, so Hoffmann, sei da zum ersten Mal in seinem ganzen Ausmaß deutlich geworden. Zunächst seien mit Sprengbomben die Häuser so weit beschädigt worden, dass die Brandbomben schnell „Futter gefunden“ haben. Friedrich beschreibe sehr ausführlich, welche komplizierten technischen und strategischen Überlegungen den Angriffen zugrunde gelegt worden seien, erklärt Hoffmann und betont „dass das nicht zufällige oder mehr oder weniger willkürliche Bombenangriffe waren, sondern ganz im Detail wissenschaftlich ergründet worden ist, wie man mit welchen Bomben eine Stadt in Schutt und Asche legen kann“.

Die Familie Hoffmann flüchtete zur Tante nach Lahnstein. Nach der vergeblichen Suche nach einer Wohnung für sich und die vier Kinder fand Margret Hoffmann eine Landarbeiterbaracke, in der alle das ganze Jahr 1944 über wohnen konnten. „Wir haben eine unheimlich schöne Zeit verbracht. Das war ein krasser Kontrast zu den Bombenangriffen. Weil wir auf dem Lande relativ ungestört von Kriegsereignissen gelebt haben.“

Mit dem Niederschreiben seiner Geschichte habe er vor ungefähr 20 Jahren angefangen. „Ich habe das Manuskript zunächst angefertigt ohne die Absicht einer Veröffentlichung. Ich bin dann mal ins Gespräch gekommen mit einem Nachbarn. Der war emeritierter Professor in Mainz für Ethnologie. Dem habe ich das Manuskript gezeigt. Er hat gesagt: Mann, das musst du veröffentlichen.“ Er habe dann die Verbindung zum Verlag hergestellt. „Auf dem Markt ist das Buch praktisch überhaupt nicht erschienen, ich habe das im Grunde immer nur verschenkt.“

Das Buch „In den Wind geworfen“ ist 2010 im Lit-Verlag Dr. Wilhelmn Hopf Berlin im Rahmen der Reihe „Biographien zur Zeitgeschichte, Band 6“ erschienen.