Ausgerechnet im Kündigungszeitraum für viele Vereinssportler herrscht große Verunsicherung Sportvereine befürchten ein langsames Ausbluten
Wuppertal · Ausgerechnet im aktuellen Kündigungszeitraum für viele Vereinssportler herrscht eine große Verunsicherung, wie und wann Breitensport wieder erlaubt ist. Den Klubs fehlen zudem die Neuanmeldungen.
Gebannt blicken die Sportvereine im Land nach Berlin und warten von dort auf Perspektiven, wie und wann es nach dem Corona-Lockdown weitergehen darf. Viele rechnen damit, dass der über den Dezember hinaus aufrechterhalten wird, doch die Ungewissheit wirkt sich jetzt schon fatal aus. Beim SV Bayer Wuppertal etwa, mit rund 7500 Mitgliedern einer der größten Sportvereine in NRW, endet an diesem Mittwoch die Kündigungsfrist, und Geschäftsführerin Claudia Hastrich hat deutlich mehr Austritte registriert, als üblich. „Es gibt immer noch eine große Solidarität, aber sie bröckelt“, berichtet sie und spricht von Austritten jenseits der Zehn-Prozent-Marke. Noch fataler, so Hastrich, sei, dass Neueintritte auf unabsehbare Zeit fehlten, die beim SV Bayer immerhin 1000 bis 1500 pro Jahr ausmachten. Wie bei fast allen Wuppertaler Vereinen ist es so, dass sie die Fluktuation normalerweise ausgleichen.
Beim SSV Germania lässt sich gut ablesen, dass das derzeit nicht der Fall ist. Dort endet das Beitragsjahr stets im Juni, so dass die Auswirkungen des ersten Lockdowns durchschlugen. Waren zum 30. Juni noch knapp 1500 Mitglieder in dem Breitensportverein registriert, sind es Stand jetzt nur noch 1226. Beitragsermäßigungen, mit denen kommerzielle Anbieter zum Teil arbeiten, sind den Sportvereinen verboten, sonst verlieren sie ihre Gemeinnützigkeit. Darauf weist etwa der Vohwinkeler STV auf seiner Homepage hin, und bittet seine Mitglieder um Verständnis.
Fast alle Vereine versuchen, mit Video- und Streamingangeboten gegenzusteuern. Der Barmer TV etwa hat für seine Mitglieder ein regelrechtes Kursprogramm ins Netz gestellt und wie auch andere Vereine in bessere Kameras und Mikrofone investiert. „Das klappt ganz gut, aber damit ist nur ein Teil zu erreichen. Gerade die Älteren, die nicht die technische Ausstattung haben und für die der soziale Kontakt besonders wichtig ist, fehlen dort“, sagt die 2. Vorsitzende Bärbel Schröder. Sie skizziert ein weiteres Problem: „So langsam geht den Ehrenamtlichen die Energie aus. Es ist zermürbend, dass man im Moment auch nicht weiß, wie es weitergeht.“ Sie wünscht sich von der Politik, dass zu den Folgen des Lockdowns nicht nur über die Gastronomie und Kultur, sondern auch über den organisierten Sport gesprochen wird.
Ähnlich formuliert es der Freiburger Kreis, die Arbeitsgemeinschaft größerer deutscher Sportvereine, in einem Positionspapier. Während etwa in der Gastronomie über drohende Insolvenzen diskutiert werde, gleiche die Situation in den Vereinen einem „langsamen Ausbluten.“ Der Freiburger Kreis appelliert deshalb, kurzfristige Nothilfen in langfristige Zuschüsse umzuwandeln, etwa über Übungsleiterzuschüsse.
„Wir wissen doch gar nicht, welche Hilfen wir momentan beantragen sollten“, sagt Friedhelm Bursian, Geschäftsführer des SSV Germania. Aus Solidarität mit seinen Übungsleitern hat der Verein ihnen im März und April im ersten Lockdown deren Aufwandsentschädigungen weiterbezahlt und tut das auch jetzt im November. Wie lange man das durchhalten könne, sei offen.
Der SV Bayer mit seinen hauptamtlichen Mitarbeitern ist da in einer etwas komfortableren Situation. „Momentan haben wir auf Kurzarbeit noch verzichten können“, sagt Claudia Hastrich. Das Personal sei in die Renovierung der Anlagen im Bayer-Sportpark eingebunden, der derzeit erweitert wird. Außerdem seien die Hauptamtlichen mit der Entwicklung sportlicher Konzepte beschäftigt. Auf Dauer drohten aber härtere Einschnitte. „Wer weiß, wie lange es mit den Beschränkungen noch so weitergeht“, sagt sie. Dabei sei den Mitgliedern schwer zu vermitteln, dass in den Hallen am Vormittag der Schulsport normal laufe, während den Vereinen trotz ausgeklügelter Hygienekonzepte, die im Sommer gegriffen hätten, die Nutzung verwehrt bleibe. So fordert der Freiburger Kreis, zu dessen Gründungsmitgliedern der SV Bayer gehört, den Breitensport gerade für Kinder- und Jugendliche so schnell wie möglich wieder zu öffnen.
Bärbel Schröder ist sich sicher, dass der Hunger, endlich wieder Sport treiben zu können, groß ist. Darauf gründet sich beim BTV die Hoffnung für die Zukunft. Momentan sei das aber noch der Blick in eine Glaskugel.