Schwimmen Christian vom Lehn will’s noch einmal wissen

Wuppertal · Nach einer Schulteroperation nimmt Wuppertals Vorzeigeschwimmer Anlauf für seine dritte Olympiateilnahme.

Christian vom Lehn gehört auf den kurzen Bruststrecken in Deutschland weiter zur Spitzenklasse. Bei den Swim Opera Classics feierte er ein gelungenes Comeback.

Foto: Schwartz, Anna (as)

In der an Stars nicht mehr reichen deutschen Schwimmsportszene ist Christian vom Lehn einer derjenigen, die sich über Jahre an der Oberfläche gehalten haben. Als der damals 19-Jährige vom SV Bayer Wuppertal 2011 sensationell WM-Bronze über 200 Meter Brust gewann, sahen viele in ihm den kommenden Mann. Doch Verletzungen warfen den Wuppertaler immer wieder zurück. Zwar schaffte er es 2012 und 2016 zu den Olympischen Spielen, doch an Einzel-Medaillen konnte er nie mehr heranschwimmen. Sein Ziel, 2020 in Tokio seine dritten Olympischen Spiele zu bestreiten, geriet in weitere Ferne, als er sich in diesem Frühjahr nach einer erneut längeren Leidenszeit endlich einer Schulteroperation unterzog. „Ich glaube, einige haben ihn schon abgeschrieben“, sagt sein Heimtrainer Michael Bryja. Doch er und vom Lehn selbst tun das nicht. Seit August ist der inzwischen 27 Jahre alte Vorzeigeschwimmer des SV Bayer wieder im Training und endlich schmerzfrei.

Das tolle Gefühl, endlich
wieder schmerzfrei zu sein

„Das ist ein tolles Gefühl, da fragt man sich natürlich, warum man das mit der Operation nicht schon früher gemacht hat“, sagt vom Lehn selbst. Bei den Swim Opera Classics, einem internationalen Schwimmfest am Wochenende in Wuppertal, machte er den ersten Härtetest, ob die Schulter auch wieder Wettkampfbelastungen standhält. Vom Lehn zeigte dort trotz Trainingsrückstands, wie viel Spaß ihm das Schwimmen nach wie vor macht – und welche Klasse er weiter besitzt. In sieben Disziplinen trat er an, gewann vier Mal. Auf seiner neuen Spezialstrecke 100 Meter Brust, auf die er sich nach Olympia 2016 und seiner Rückkehr aus Essen zum SV Bayer verlegt hatte, schwamm er mit 58,53 Sekunden bis auf drei Hundertstel an die Norm für die Kurzbahn-EM im Dezember in Glasgow heran. Ein Genuss, zu sehen, mit welcher Technik und Dynamik vom Lehn mit jedem Zug durchs Wasser schnellt, den Kopf fast wie eine Nähmaschine beim Eintauchen hebt und senkt. In Deutschland kann nur Fabian Schwingenschlögl (Neckarsulm) derzeit solche Zeiten schwimmen, und das, obwohl vom Lehn ja erst wieder im Aufbau ist.

Gelegenheit, die fehlenden drei Hundertstel für die EM-Norm noch draufzupacken hat vom Lehn am Wochenende bei den NRW-Meisterschaften in der Schwimmoper oder zehn Tage später bei den Deutschen Kurzbahnmeisterschaften in Berlin. Doch der Sportsoldat sieht das gelassen, hat in seiner langen Karriere schon viele verletzungsbedingte Rückschläge und dann wieder Hochphasen erlebt. Die letzte 2017, als er bei den Deutschen Meisterschaften auf der 50-Meter-Bahn, die für die Olympischen Spiele relevant ist, in 59,47 Sekunden ganz nah an den Deutschen Rekord herangeschwommen war. Doch auch danach warfen ihn Verletzungen immer wieder zurück.

Auftrag als Soldat: Trainieren und Deutschland repräsentieren

An diese Bestzeit noch einmal heranzukommen, ist das Ziel, dann wäre auch Tokio drin. Neben seinem Studium in Kommunikations- und Multimediamanagement in Düsseldorf kann sich vom Lehn voll darauf konzentrieren. Als Sportsoldat muss er sich finanziell zunächst keine Sorgen machen. Der Vertrag mit der Bundeswehr war noch einmal um ein Jahr bis 2020 verlängert worden. Auftrag: Trainieren und Deutschland bei internationalen Wettkämpfen repräsentieren.

Acht Wassereinheiten pro Woche absolviert vom Lehn, der in Wuppertal in einer Dreier-WG mit ehemaligen Schwimmkollegen wohnt, schon wieder, dazu eine Krafteinheit. Alles muss dosiert und abgestimmt sein, damit nicht wieder Probleme auftreten. Sei es an der operierten Schulter, der Hüfte oder den Knien, die ihm in seiner langen Karriere ebenfalls Schwierigkeiten gemacht hatten. Genau deshalb weiß vom Lehn so zu schätzen, wie schön es ist, schmerzfrei trainieren zu können. Im Schwimmerlager nennen ihn alle nur „Streusel“. Sein Spitzname rührt daher, dass er gern Schokostreusel zum Frühstück aß, was bei Trainingslagern natürlich auffiel. Zum Wohlgefühl trägt für vom Lehn auch das Umfeld in seiner Heimatstadt bei, wo er seinen Freundeskreis hat, gern auch mal ins Luisenviertel ausgeht und sich in seiner Trainingsgruppe wohl fühlt. „Es ist schon klasse, mit ihm trainieren zu dürfen“, sagt Trainingspartner Alexander Konz (20).

Sonnyboy vom Lehn verbreitet bei aller harten Arbeit immer gute Laune, obwohl oder vielleicht sogar gerade, weil er die Höhen und Tiefen des Leistungssports so gut kennt.