Beim „Picobello-Tag“ 2010 machte eine Helferin in Ronsdorf einen erschreckenden Fund Schock beim Müllsammeln: Die Tragödie um ein totes Baby
Diesen „Picobello-Tag“ haben die Ronsdorfer nicht vergessen. Ein kleiner lebloser Körper war in eine pinkfarbene Wolldecke eingewickelt und neben einer Bank abgelegt worden. Wer war die Mutter? Eine heiße Spur führte die Kripo bis in die USA.
Die Müllsammelaktion im Wuppertaler Stadtteil Ronsdorf beginnt unspektakulär. Es ist ein kühler Märztag 2010. Freiwillige lesen nach dem abklingenden Winter mit Handschuhen und Greifern allerhand Unrat von den Bürgersteigen und Grünflächen auf: Flaschen, Verpackungen, Kippen. Im Gebüsch hinter einer Parkbank findet eine Frau ein pinkfarbenes Bündel. Als sie genauer nachsieht, folgt der Schock: Da liegt die stark verweste Leiche eines Babys in eine Decke eingewickelt. Weggeworfen.
Eine zehnköpfige Mordkommission wird eingeschaltet. Nun werden die Gebüsche und Grünflächen erneut durchkämt, diesmal auf der Suche nach Hinweisen auf die Mutter. Der Fundort liegt neben dem damaligen Kaufpark am Ascheweg, heute Rewe. Hier ist es alles andere als einsam. Öfters treffen sich hier Jugendliche. Im Sommer sitzen auch Trinker auf der Bank.
Die Ermittler halten sofort ein starkes Beweisstück in den Händen: die Decke. Dieses besondere Fabrikat vertreibt eine US-Firma in Texas. Und es ist nicht in Deutschland zu kaufen. Stammt die Mutter des toten Kindes aus den USA? Was hat sie in Ronsdorf gemacht? Auch wird ein Schlüsselbund in einem Bachlauf gefunden. Eine Spur, die aber ins Leere führt.
Der Stadtteil ist nach diesem „Picobello“-Tag in Aufruhr. Die Anteilnahme ist groß. Bürger legen am Fundort Kerzen und Kuscheltiere ab.
Es vergehen drei Wochen ohne einen Durchbruch. Das Landeskriminalamt bereitet bereits einen groß angelegten DNA-Test vor, um die Mutter des Kindes zu ermitteln. Schließlich sind es aber Zeugenhinweise, die die Ermittler zum Ziel führen.
Eine 18-jährige Austauschschülerin aus den USA soll das Kind zur Welt gebracht haben. Die junge Erwachsene, die die Gesamtschule Ronsdorf besuchte, wird einem Haftrichter vorgeführt, dann allerdings schnell wieder entlassen. Es bestehe kein dringender Tatverdacht hinsichtlich eines vorsätzlichen Tötungsdelikts, heißt es. Bei der Geburt gab es keine Zeugen. Keiner kann also sagen, ob die junge Frau nicht eine Totgeburt erlitten hat. Wäre das der Fall, dann hätte die Beschuldigte keine Straftat begangen.
Über die Austauschorganisation kommt die junge Mutter an einen Anwalt. Die Verteidigung gibt eine klare Richtung vor: Das Kind kam tot zur Welt. Demnach habe die 18-Jährige ihren Eltern in New Mexiko die Schwangerschaft verschwiegen. Auch die Gastfamilie in Wuppertal soll nichts bemerkt haben – ebenso wenig wie die Mitschüler der zurückhaltenden jungen Frau. Der Anwalt sagt der WZ: „Meine Mandantin befand sich in großer psychischer Not.“ Sie habe ihr Baby Ende November 2009 allein in ihrem Gastzimmer zur Welt gebracht und dann am Ascheweg abgelegt.
Doch die Kriminalpolizei ermittelt weiter. Denn: Plötzlich tauchen Fotos auf, die die junge Frau mit einem eingewickelten Baby auf dem Arm zeigen. Auf fünf Bildern soll das Kind noch gelebt haben, ist sich die Kripo sicher. Die Mutter muss sich ein zweites Mal vor einem Haftrichter verantworten, kommt auch dieses Mal wieder frei.
Doch die Vorwürfe bleiben. Bis zum Juli 2010. Der Anwalt der Schülerin gibt ein Gutachten bei einem Münchener Rechtsmediziner in Auftrag. Dieses kommt zum Schluss, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass das Kind bei der Geburt noch lebte.
Daraufhin stellt die Staatsanwaltschaft Wuppertal das Ermittlungsverfahren gegen die 18-jährige Mutter ein. Es kommt nie zur Anklage. So werden auch die Fotos, die von der Kripo gesichtet worden waren, niemals einem Gericht vorgelegt.
Die Mutter kehrt nicht mehr zur Gesamtschule in Ronsdorf zurück, bricht ihren Aufenthalt in Deutschland ab. Ihr Kind war da schon längst in Ronsdorf beerdigt worden. Die evangelische Kirchengemeinde kümmerte sich um die Bestattung und übernahm die Kosten.