Auf dem Ölberg wird es gruselig
Im Oktober darf jeder Ölberger aus seinem Lieblingsbuch vorlesen — in der Wohnung oder auf der Treppe.
Nordstadt. Die Oskar-Hoffmann-Treppe ist für viele Ölberger eher eine dunkle, unangenehme Ecke. Abends wird sie besonders von älteren Menschen gemieden. Man könnte sagen, dort herrscht Gruselatmosphäre — wie bei „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Am Tippen-Tappen-Tönchen verbringen oft hormongeladene Jugendliche ihre Nachmittage, die nichts mit sich anzufangen wissen — was würde da besser passen, als „Pubertät“ von Helge Schneider?
Die bisher eingereichten Ideen zu „Der Berg liest“ klingen toll. „Wir bekommen täglich neue Anfragen, die Resonanz ist sehr gut“, sagt Uwe Peter. Er hat die Lese-Aktion am Ölberg ins Leben gerufen. 40 Orte am Berg, an denen am 16. Oktober gelesen werden soll, stehen bereits fest. 100 sind das persönliche Ziel von Organisator Uwe Peter vom Verein „Unternehmer für die Nordstadt“.
Ein Gruselbuch in der dunklen Ecke, Helge Schneider dort, wo sonst rumgelungert wird und afrikanische Literatur in Englisch — natürlich freut er sich über die bisherigen Anmeldungen, doch die ursprüngliche Idee war eine andere: Da das Ölbergfest nur alle zwei Jahre stattfindet, suchte er eine Alternative für dieses Jahr. „Beim Ölbergfest bringen die Leute ihre Wohnungen auf die Straße, jetzt sollten sie in ihre Wohnungen einladen“, sagt Peter. Geplant waren eigentlich kleine, gemütliche Runden, in denen Ölberger einer Handvoll Personen aus ihrem Lieblingsbuch vorlesen. „Solche Anmeldungen hatten wir bisher aber nur wenige. Was ihre Wohnung angeht, sind die Leute noch zurückhaltend.“ Er stellt aber klar: „Jeder darf selbst festlegen, wie viele Menschen zu ihm kommen.“
Christine Kerkmann findet ihr Projekt auch viel spannender: „Im Herbst ist es ja eher düster, da wollte ich etwas Morbides lesen. Ich bin gespannt wie die Jekyll-und-Hyde-Lesung ankommt“, sagt die 40-Jährige. Im Oktober will sie ab 18 Uhr mit einsetzender Dämmerung mit 15-minütigen Pausen immer eine halbe Stunde lang lesen. „Ich hoffe, ich komme durch. Geplant ist auf jeden Fall, den kompletten Roman zu lesen.“
Bei mindestens 40 Orten, an denen gelesen wird, müssen die Zuhörer natürlich im Voraus planen. Wollen sie während der 30-minütigen Lesestunde in kleiner Runde die direkte Nachbarin besser kennenlernen, oder doch lieber mit vielen Zuhörern im Domhan ein Bier trinken? „Weil auch die Schulen am Berg mitmachen wollen, beginnen die ersten Leseaktionen bereits am Vormittag“, erklärt Peter. Trotzdem finden natürlich auch Lesungen parallel statt.
Wer die Jekyll-und-Hyde-Lesung hören will, kann sich natürlich Zeit lassen, denn die Lesung dürfte bis in die Nacht reichen. Bei kürzeren Lesungen hilft das offizielle Programm bei der Planung.
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