„Gespräche auf Augenhöhe“ Bergische Universität Wuppertal: Pfarrerin hat ein Ohr für Studenten
Grifflenberg · Studierende stehen unter Druck und sind von Sorgen und Kummer geplagt. Dann bitten sie Pfarrerin Claudia Andrews Um ein Gespräch: sie weiß, was die jungen Menschen an der Universität umtreibt.
Der Duft nach Gemüse, mediterranen Gewürzen und Knoblauch hängt noch in der Luft. Gerade eben haben hier Studierende noch gekocht, schon lernen sie wieder. Einige sind in die Uni-Bibliothek gegangen, andere sitzen mit ihren Laptops in der „Kirche an der Uni“, einem dreistöckigen Haus vor dem Campus Grifflenberg der Bergischen Universität Wuppertal. Dort ist es ruhig. Es gibt eine stabile Wlan-Verbindung und einen Kaffeeautomaten, den jeder benutzen darf. Daneben stehen selbst gebackene Muffins.
Pfarrerin Claudia Andrews sitzt mit ihrem Laptop am Esstisch vor der Küchenzeile und sieht ihre Mails durch. Gerade jetzt geschieht es häufiger, dass Studierende sie um ein Gespräch bitten. Einige schreiben per Mail, andere kommen dafür vorbei und wieder andere reden sich spontan ihren Kummer von der Seele, nachdem Claudia Andrews sie angesprochen hat. In der Prüfungszeit, die rund um den Start der Semesterferien ihren Höhepunkt erreicht, stehen viele unter starkem Druck.
„Die Erwartung an die eigene Leistung ist heute höher als vor zehn oder gar 20 Jahren“, beobachtet die 51-jährige Theologin, die seit einem Jahr evangelische Studierendenpfarrerin in Wuppertal ist und davor an der Uni in Duisburg-Essen tätig war.
„Viele Studierende meinen, nur mit guten Noten und einem Abschluss in der Regelstudienzeit auf dem Arbeitsmarkt Chancen zu haben. Das ist eine stark verkürzte Sicht, die so zum Glück nicht stimmt. Druck erzeugt auch, dass viele einen Job brauchen, um ihr Studium zu finanzieren. Das schränkt wiederum die Zeit fürs Lernen und Freizeitaktivitäten ein.“
Durch die Pandemie haben sich diese Belastungen noch verschärft. Der ständige Wechsel zwischen Online- und Präsenzveranstaltungen erschwert das Studieren. Es ist schwieriger, Freundschaften zu schließen. Hinzu kommen finanzielle Sorgen, weil Studierendenjobs weggebrochen sind. In einer aktuellen Umfrage von 2022 gaben 60 Prozent der Studenten an, dass sie das Semester psychisch nicht gut absolvieren konnten.
Umso wichtiger sei es, für Studierende eine freundliche und entspannte Atmosphäre zu schaffen, betont Claudia Andrews. „In unserem Haus ist niemand nur eine Matrikelnummer. Wir möchten, dass die Studierenden sich wohlfühlen und hier das finden, was sie gerade brauchen.“ Das können persönliche Gespräche sein, aber auch Ruhe zum Lernen oder Aktivitäten, die Spaß machen und etwas Ablenkung bringen wie das Treffen mit anderen Studierenden, Filme schauen oder spielen. Das gemeinsame Essen und Trinken gehört immer dazu.
In der „Kirche an der Uni“ soll die „Menschenfreundlichkeit Gottes“ erfahrbar werden. Das wünschen sich Claudia Andrews und ihr katholischer Kollege Klaus Große-Rohde. Die Evangelische Studierendengemeinde (ESG) und die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) sind hier nicht nur unter einem Dach untergebracht. Sie arbeiten auch eng zusammen. „Viele Studierende wissen heute kaum noch etwas über Konfessionen und Kirche. Aber sie sind neugierig und offen für Spiritualität und die Frage nach Gott in der Welt.“
Jedes Semester nehmen etwa 60 bis 80 Studierende regelmäßig an den Angeboten teil, die im Haus stattfinden. Hinzu kommen noch viele andere, die das Haus als Lernraum nutzen oder gezielt Veranstaltungen zu bestimmten gesellschaftlichen und religiösen Themen besuchen. „Wir sind gut vernetzt auf dem Campus, aber institutionell unabhängig“, erklärt die Pfarrerin. Besonders im Hinblick auf die Seelsorgegespräche sieht sie das als Vorteil.
Gerne betont Claudia Andrews, dass sie „Gespräche auf Augenhöhe“ führt, in denen es um den ganzen Menschen geht, um alle seine Fähigkeiten, Gaben und Herausforderungen. Diese Gespräche können in Claudia Andrews Büro, per Videokonferenz oder bei einem Spaziergang auf dem Campus stattfinden. Manchmal spricht sie den Studierenden dabei auch ein persönliches Segenswort zu. „Das ist immer ein berührender Moment“, sagt sie.
Während der Prüfungszeit brennt eine große Kerze im Haus. „Egal, ob Studierende religiös sind oder nicht, dieses Ritual ist vielen wichtig“, erklärt die Pfarrerin. „Denn es ist ein Zeichen, dass jemand an sie denkt und sie nicht alleine sind mit ihren Ängsten und Sorgen, sondern es einen Gott gibt, der für sie da ist und ihnen Kraft gibt.“