Gnadenhochzeit Erinnerungen an eine bitterkalte Hochzeit

Seltenes Jubiläum: 70 Jahre sind Annemarie und Alfred Schneider verheiratet.

Annemarie und Alfred Schneider feierten Mittwoch die Gnadenhochzeit.

Foto: Anna Schwartz

Hardt. Wenn einem Ehepaar vergönnt ist, 70 Jahre bei guter geistiger und leidlicher körperlicher Gesundheit miteinander zu verbringen, dann wird dieses Ehe-Jubiläum „Gnadenhochzeit“ genannt. Eine Gnade, die dem einstigen Lehrerehepaar Annemarie und Alfred Schneider (beide 93 Jahre alt) zuteil geworden ist: Mittwoch feierten sie zusammen mit ihrer Familie dieses seltene Fest und erinnerten sich noch einmal an den 21. Dezember 1946, als Annemarie anderthalb Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs im geborgten Kleid und mit einer Stola um die Schultern dem jungen Lehrer und ehemaligen Soldaten an der Ostfront, Alfred Schneider, ihr Ja-Wort gegeben hatte.

Der Rückblick an den Hochzeitstag jagt dem Jubelpaar, das sich nach der Eheschließung über eine kleine Wohnung freuen durfte, auch heute noch Schauer über den Rücken: „Damals hatten wir 21 Grad minus, und in der Kirche war es eiskalt. Es war sogar so kalt, das manche Menschen ihre Möbel verbrannt haben, weil sie so unglaublich gefroren haben“, erzählt die „Gnadenbraut“, die ihren späteren Mann in der Schule kennen gelernt hat. Er, Lehrer für Deutsch und Mathematik, sie hat neben allen anderen gängigen Fächern an der Polytechnischen Oberschule in Leipzig auch Sport unterrichtet. Ein Fach, das im Leben der beiden Sachsen eine wichtige Rolle spielte. Vor allem der Volleyball, wo sich der Deutsch- und Mathematiklehrer in die Spitze der internationalen Schiedsrichter katapultiert hatte und die 1949 gegründete DDR auch bei internationalen Einsätzen im Ausland vertreten durfte.

„Allerdings nur ohne meine Frau“, erklärt Alfred Schneider. Annemarie kümmerte sich währenddessen im Wohnort Groß-Deuben neben ihrer Lehrertätigkeit um den weiblichen Volleyball-Nachwuchs und ebnete sogar Nationalspielerinnen und späteren Olympia-Teilnehmerinnen den Weg ins Leistungszentrum in Leipzig.

Drei Kinder hatte das Ehepaar, zwei Töchter und einen Sohn, der jedoch mit 35 Jahren früh verstorben ist. Während eine Tochter vorübergehend nach Afrika zog, blieb die andere in der DDR bis sich 1989 die Wende andeutete und sie sich über die bundesrepublikanische Botschaft in Prag die Ausreisegenehmigung besorgten.

Die Schneiders („Wir haben immer schon mit dem Westen geliebäugelt“) zogen nach dem Ende der DDR zunächst nach Karlsruhe und vor fünf Jahren in die Nähe ihrer Tochter und deren Ehemann nach Wuppertal. Beide leben dort, umsorgt von Tochter Sigrun im „Service-Wohnen“ in den eigenen vier Wänden und fühlen sich hier sehr wohl. „Mein Vater nimmt regen Anteil am Weltgeschehen und liest intensiv die drei großen Magazine“, verrät Tochter Sigrun, und ihre Mutter Annemarie fügt leicht indigniert hinzu: „Mein Mann lässt auch keine Sportsendung aus“. Der Angesprochene schmunzelt und tätschelt seiner Ehefrau liebevoll die Hand.