Architektur „Unspektakulär, aber in Ordnung“

Zentrum. · Das Hotel Holiday Inn Express prägt das neue Tor zum Wall. Ein Blick mit den Augen eines Architekten.

Architekt Markus Rathke sieht beim Holiday Inn eine lebendig gestaltete Fassade.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Der Eingang zum Wall hat bald ein neues Gesicht – wenn Anfang des Jahres das Hotel Holiday Inn Express die Türen öffnet und nicht mehr nach Baustelle aussieht. Dazu macht Ende des Jahres der Textildiscounter Kik im Rinke-Haus auf und nimmt so auch Einfluss auf die Belebung der Straße. Das dürfte den Eindruck der Straße verändern. Neben der Nutzung und der Qualität der Angebote entscheidet aber auch die Architektur über den Eindruck, den die Straße macht. Aber was genau will die uns eigentlich sagen? Und wie sieht das Tor zum Wall eigentlich aus professioneller, objektiver Sicht aus? Wir haben Markus Rathke, selbstständiger Architekt und Wuppertaler Vorsitzender des Bunds Deutscher Architekten, gefragt, der deutschlandweit Großprojekte umsetzt.

Eine lebendige Stadt muss Unterschiede aushalten

Rathke holt aus, eine lebendige Stadt sei geprägt durch Heterogenität, lebe von Kontrasten – und müsse diese auch aushalten. Er spielt auf die Umgebung an. An der Schloßbleiche stehen das gründerzeitliche Hotel Astor wie auch mehrere Häuser aus den 60er Jahren. Und gegenüber dem neuen Hotel steht das neue Rinke-Haus, in das im Dezember noch Kik ziehen wird. Der Haus am Standort von Koch am Wall ist dabei ein besonderer Bezugspunkt – ist es doch auch gerade erst gebaut worden, bietet also den Vergleich zweier aktueller Bauprojekte in gleicher Lage.

„Das Rinke-Haus nimmt Bezug auf das Fahrenkamp-Haus aus den 1920er Jahren“, erklärt Rathke. Er deutet auf die abgerundete Ecke zum Wall hin und die Fensterbänder. „Das ist die klassische Architektur der Moderne.“ Fassaden seien von der Traglast befreit worden, die Stützpfeiler seien ins Innere verschwunden. „Beim Fahrenkamp-Haus war das sehr innovativ. Das wurde beim Rinke-Haus von 2016 aufgegriffen.“ Dazu komme die hochwertige Steinfassade, die Bezug nimmt auf den Stein der Farenkamp-Fassade.

Das Hotel Holiday Inn Express wirkt da anders. Das eckige Gebäude mit grauer Fassade folgt keiner bestimmten Architekturschule. Die Fassadenfläche wird auf den oberen Geschossen von Fenstern unterbrochen. „Der Fensteranteil ist niedrig“, erklärt Rathke. „Optisch wird aber versucht, sie durch die weißen Flächen zu vergrößern.“ Er lobt, dass trotz des gleichen Schemas der Geschosse die Fassade lebendig wirkt, weil die Fenster leicht versetzt sind.

Im Erdgeschoss und ersten Stock gibt es große Fensterflächen – wie auch bei Rinke gegenüber. „Die Häuser öffnen sich zur Stadt. Das ist sehr positiv.“ Vor allem wirke das für Passanten so, die kaum mehr als das erste und zweite Stockwerk wahrnehmen. Gerade wenn die Nutzung der Flächen im Erdgeschoss noch nicht sicher sei, weil Mieter fehlen, ist das aus Rathkes Sicht mutig. Generell: „In den ökonomischen Grenzen eines solchen Projekts ist das ein guter Kompromiss: die teurere Fassade – Glas – unten zu verbauen“, findet Rathke. Er spricht damit aber auch an, dass das Haus eben nicht so hochwertig ist wie etwa das Rinke-Haus, das Fahrenkamp-Haus oder Peek & Cloppenburg am Wall. Das hänge aber auch mit der Nutzung zusammen und den ökonomischen Erwartungen daran.

Das Hotel staffelt sich in Richtung Schloßbleiche, wächst nach oben, um an beiden Enden mit den anliegenden Häusern auf einer Ebene zu liegen. „Ein Geschoss mehr hätte es aber vertragen“, sagt Rathke – um einen Höhepunkt in Richtung Wupper und B7 zu bieten. Am besten, findet Rathke ganz persönlich, wäre auch eine Dachnutzung, um den Blick auf Wuppertal zu eröffnen. Davon ist nichts bekannt.

Alles in allem sei das Haus „unspektakulär, aber in Ordnung“, findet Rathke. Er findet es besser, ein Projekt mit bestimmtem Rahmen solide zu bauen als Experimente zu wagen, für die das Budget eigentlich fehlt. „Das Haus ist schlicht gestaltet, aber nicht schlecht“, betont er. Er blickt aber auch in die Zukunft: Die Fassade – ein Wärmedämmverbundsystem – neige schneller dazu, in feuchter Umgebung anfällig für Algen zu sein. Das bringe hohen Pflegeaufwand mit sich. Steine wie die des Rinke-Hauses alterten dagegen eher in Würde.