100 Jahre Notariat in Vohwinkel: Erst der Skandal, dann der Aufschwung
Seit 100 Jahren gibt es in Vohwinkel ein Notariat. Eine Festschrift erinnert an die wechselvolle Geschichte der Amtsstelle.
Vohwinkel. Am Anfang stand ein handfester Skandal: Stempelgelder hatte der Notariatssekretär veruntreut und handelte sich dafür eine rechtskräftige Verurteilung ein. Für das aufstrebende Vohwinkel der Kaiserzeit ein unerhörter Vorgang. Doch der Fehltritt blieb bedauerlicher Einzelfall in einer ansonsten tadellosen Amtsgeschichte.
Vor genau 100 Jahren, im September 1909, wurde in Vohwinkel das erste Notariat eingerichtet. Es entwickelte sich nach einigen Anlaufschwierigkeiten zu einer blühenden Institution im Stadtteil. Mit einem großen Festakt, an dem über 200 geladene Gäste teilnahmen, wurde jetzt das Jubiläum im Evangelischen Gemeindezentrum Gräfrather Straße gefeiert. Dabei gab es reichlich Gelegenheit, auf die wechselvolle Vohwinkeler Notariatsgeschichte zurückzublicken.
Denn der Beginn gestaltete sich nicht nur durch die Missetat des Sekretärs schwierig. Zu groß war zunächst die Konkurrenz aus Elberfeld, wo traditionell der Großteil der Rechtsgeschäfte beurkundet wurde. Darüber beklagte sich auch Vohwinkels erster Notar Max Symons beim Justizministerium in Berlin und bezeichnete das Amt im Stadteil als "nicht lebensfähig". Er sollte unrecht behalten. "Vohwinkel erlebte damals einen unvorstellbaren Aufstieg", sagt Notar Andreas Sailer, der die Jubiläumsveranstaltung organisiert und eine entsprechende Festschrift herausgegeben hat.
"Innerhalb weniger Jahre hatte sich die Bevölkerung verdreifacht, wichtige Stellen wie das Hauptzollamt oder das Veterinäramt hatten hier ihren Sitz", erläutert Sailer. Sein Büro in der Bahnstraße liegt seit 2004 genau gegenüber den ersten Notarräumlichkeiten. Doch trotz des Vohwinkeler Aufschwungs sollte es noch bis in die 1950er Jahre dauern, bis die Arbeit der Notare Früchte trug. Heute ist die Einrichtung schon lange nicht mehr aus dem Wuppertaler Westen wegzudenken.
"Ein Notariat in Vohwinkel ist für die Identität des Stadtteils äußerst wichtig", sagt Oberbürgermeister Peter Jung. Zusammen mit Bezirksbürgermeister Heiner Fragemann war er einer von vielen prominenten Gratulanten. Für Andreas Sailer ist die Notariatshistorie besonders interessant, weil sie nach seiner Aussage durch die vielen erhaltenen Dokumente einen unverfälschten Einblick in die Stadtteilgeschichte bietet. "Hier wird die Vergangenheit lebendig", erklärt Sailer, der etwa auf das Schicksal des dritten Vohwinkeler Notars Wilhelm Faller verweist. Da dessen Ehefrau Jüdin war, kam es für die Familie zu erheblichen Problemen mit den herrschenden Nationalsozialisten. "Dieser Fall ist in den Akten eindeutig dokumentiert", erläutert Andreas Sailer.