15 weitere Missbrauchsopfer an katholischer Schule
Berlin (dpa). Der Missbrauchsskandal am katholischenGymnasium in Berlin weitet sich aus: Am Freitag übernahm dieStaatsanwaltschaft die Ermittlungen. Nachdem bekanntgeworden war,dass zwei Lehrer am Canisius-Kolleg in den 70er und 80er Jahrensieben Schüler sexuell missbraucht hatten, haben sich nun rund 15weitere männliche Opfer gemeldet.
Das sagte der Rektor derPrivatschule, Pater Klaus Mertes, am Freitag. Alle hätten ebenfallsdie beiden Padres als Täter beschuldigt, die auch schon die erstenMissbrauchsopfer genannt hatten. Die Vorfälle kamen ans Licht, weilsich Mertes in einem Brief an etwa 600 ehemalige Schülerinnen undSchüler gewandt hatte. Von Seiten der Staatsanwaltschaft wirdgeprüft, ob wegen der Tatvorwürfe noch eine Strafverfolgung möglichsei.
Indes wurde bekannt, dass einige der Missbrauchsopfer trotz ihrerLeiden ihre eigenen Kinder auf das katholische Gymnasium geschickthaben. Einige der bislang bekannten Opfer seien heute Eltern an derSchule, sagte die Rechtsanwältin und Beauftragte des Jesuitenordensfür Fälle von sexuellem Missbrauch, Ursula Raue.
Eigenen Angaben zufolge hatte Mertes bereits 2004 und 2005 vonjeweils einem Missbrauchsfall erfahren. Damals hätten ihn die beidenOpfer um Diskretion gebeten, daher habe er nicht weiter recherchiert,sagte Mertes. Als sich bei ihm im Dezember und Januar dann jedochfünf weitere Opfer meldeten, entschloss sich Mertes zu dem Brief. Dieneuen Berichte ehemaliger Schüler hätten ihn überzeugt, dass es sichnicht nur um Einzelfälle, sondern systematischen Missbrauch gehandelthabe. Einer der Täter soll sich laut Mertes bereits bei Anwältin Rauegemeldet und die Taten gestanden haben.
Teil der Aufklärungsarbeit wird laut Mertes nun auch sein,mögliche Fehler innerhalb der Schule aufzudecken. Immerhin habe eslange Jahre entsprechende Gerüchte, aber keine Aufklärung gegeben.Daher müsse untersucht werden, ob Padres oder die Schulleitungwissentlich weggeschaut hätten. „Die Schüler haben mir glaubwürdigdie damalige Institution als eine wegschauende Institutionbeschrieben“, so Mertes. „Das Wegschauen beginnt immer in dem Moment,wo Sie etwas hören und sich entscheiden "Ich will das gar nichtwissen".“ Er vermute außerdem, dass zumindest einer der beiden PadresAnfang der 80er Jahre die Schule verlassen musste, weil es eineneindeutigen Verdacht auf Missbrauch gegeben habe.
Mertes betonte auch, dass sich innerhalb der katholischen Kircheeiniges ändern müsse. „Die Missbrauchsfälle - nicht nur hier, sondernauch die der vergangenen Jahre - stellen eine schwergewichtige Fragean die katholische Kirche. Nämlich, ob sie Missbräuche begünstigt,durch ihre Kultur, durch ihr System“, sagte der Pater. „Ich glaube,dass es zwei Stichworte gibt, mit denen die katholische Kirchearbeiten muss: Phobie und Sprachlosigkeit.“
Die katholische Kirche habe ein Angstproblem, besonders mit derHomophobie. Außerdem sei Sprachlosigkeit ein Problem beim ThemaSexualität. „Wenn sich die Lehre der katholischen Kirche zurSexualität so weit von den realen Fragestellungen, auch jungerMenschen, entfernt, dass sie mit den realen Erfahrungen praktischnichts mehr zu tun hat, dann führt das die junge Generation zu ganzgroßen Teilen in eine Sprachlosigkeit.“ Beide Themen könnten zuProblemen führen, denen sich die katholische Kirche stellen müsse.