21 Jungen missbraucht: Über 13 Jahre Haft für Kinderarzt
Augsburg (dpa) - 16 Jahre lang verging er sich immer wieder an Kindern. An Söhnen von Freundinnen, an Jungen, die er einfach auf der Straße angesprochen hat, und an Grundschülern, für die er deswegen extra Ausflüge mit Übernachtungen organisiert hat.
Letztlich konnte dem ehemaligen Kinderarzt der sexuelle Missbrauch von insgesamt 21 Jungen nachgewiesen werden. Dafür erhielt er eine knallharte Strafe nur knapp unter dem Höchstmaß von 15 Jahren: Dreizehneinhalb Jahre Gefängnis, Sicherungsverwahrung und ein lebenslanges Berufsverbot lautet das Urteil.
Dennoch ließ das Landgericht Augsburg dem pädophilen 41-Jährigen auch noch einen Hoffnungsschimmer, irgendwann in Zukunft wieder in die Gesellschaft zurückkehren zu können. Die Staatsanwaltschaft und die Anwälte der 14 Opfer, die Nebenkläger waren, lobten das „hervorragende Urteil“ und zeigten sich zufrieden. Die beiden Verteidiger wollten prüfen, ob sie Revision beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe einlegen.
Der 41-Jährige war ein angesehener Mediziner, bis seine Taten vor knapp zwei Jahren aufflogen. Er hatte nicht nur die Funktion eines Chefarztes beim Bayerischen Roten Kreuz inne, er arbeitete auch zuverlässig am Augsburger Klinikum, am Deutschen Herzzentrum in München und zuletzt an der Medizinischen Hochschule in Hannover. In den Krankenhäusern wurden keine Übergriffe bekannt, doch am 18. August 2014 sorgte sein letztes Verbrechen für bundesweites Entsetzen.
Was damals passierte, ist die Horrorvorstellung aller Eltern: Ein fremder Mann lockt das eigene Kind von der Straße weg, entführt und missbraucht es. Genau dies passierte in Garbsen bei Hannover mit einem Fünfjährigen. Der Arzt fuhr mit dem Kleinen in seine Zweitwohnung, gab ihm ein Kurzzeitnarkotikum und verging sich brutal an dem Kind. Nach rund zwei Stunden setzte der Angeklagte den benommenen Fünfjährigen irgendwo in Hannover aus. Die Kripo startete eine Suche mit Flugblättern nach dem Täter und fasste ihn zwei Monate später in Augsburg.
Durch einen Abgleich von DNA-Spuren und Handydaten kamen die Ermittler auf den Kinderarzt, der bei früheren Taten in Bayern genetische Spuren hinterlassen hatte. So kam heraus, dass der Mann mehrfach in Augsburg und München Jungen angesprochen, in Tiefgaragen oder Keller gelockt und sich dort an den Kindern vergangen hatte.
Der Vorsitzende Richter Lenart Hoesch betonte, dass der 41-Jährige nicht nur beruflich erfolgreich war, sondern auch aus einem behüteten Elternhaus stammte. Schon in der Schulzeit habe er gemerkt, dass er sich nicht für die Mädchen, sondern nur für die kleinen Jungen auf dem Schulhof interessiere. So sei es gekommen, dass der Kinderarzt eine Welt von „Lebenslügen“ um sich aufbaute. Zu zwei Frauen führte er platonische Beziehungen, erzählte, er sei „asexuell“. Dann machte er sich an die Söhne heran, für die er ein Ersatzvater war.
Nach seiner Festnahme schwieg der Kinderarzt zunächst zu den Vorwürfen, im Prozess gab er dann alle Fälle grundsätzlich zu. Doch bei Details habe er noch „große Hartnäckigkeit“ beim Beschönigen gezeigt, kritisierte der Richter. So behauptete der Mann, dass das Roten Kreuz und andere gemeinnützige Organisation an den Kinderausflügen des Mannes mitgewirkt hätten - nichts davon stimmte.
Vielmehr schrieb der Mediziner im Alleingang als Arzt des Klinikums Augsburg oder Chefarzt des Roten Kreuzes an sieben Grundschulen in Augsburg und warb für seine kostenlosen Freizeitfahrten. In der Gruppe der „kleinen Jungs“ beziehungsweise der „Bubengruppe“ seien noch Plätze für Sechs- bis Neunjährige frei - so fand er seine nächsten Opfer.
Teilweise machte der Mediziner während der Übergriffe auch pornografische Aufnahmen, die er später auf seinem Computer speicherte. Doch das war nicht alles, der Mann hatte eine riesige Sammlung mit Kinderpornos. Die Polizei stieß auf rund 57 000 Fotos, und eine Unmenge an Filmen. Würde man die Videos alle ununterbrochen nacheinander am Stück ablaufen lassen, würde dies länger als einen Monat dauern, rechnete die Staatsanwältin vor.
Wie lange der 41-Jährige nun hinter Gittern sitzen muss, ist unklar. Richter Hoesch betonte, es gehe nicht darum, jemanden für immer wegzusperren. Letztlich wird eine Therapie - deren Erfolgsaussichten unklar sind - zeigen, ob und wann sich für den Mann die Gefängnistore wieder öffnen. Der Gerichtsgutachter hält den 41-Jährigen derzeit jedenfalls für höchst gefährlich.
Doch für den Augsburger spricht seine Intelligenz. Der Anwalt einer Opferfamilie hielt es daher nicht für ausgeschlossen, dass in etwa zehn Jahren eine Freilassung in Betracht kommt. Und vielleicht wird der Mann auch irgendwann wieder als Arzt arbeiten dürfen. Denn auch ein Berufsverbot könne zur Bewährung ausgesetzt werden, sagte der Richter.