280 Momente zwischen Mauerbau und Balkankriegen

Berlin (dpa) - In Reihe auf dem Topf sitzende Mädchen und Jungen in einer DDR-Kindertagesstätte oder lachende Gesichter im Flüchtlingslager im kroatischen Samobor: Das Deutsche Historische Museum (DHM) in Berlin gewährt seit Dienstag fotografisch Einblicke in den Alltag in Ostdeutschland und Osteuropa.

Die Doppelschau mit 280 Fotografien trägt den Titel „Über Leben“. Sie präsentiert bis zum 3. Oktober hintergründige Bilder von Thomas Hoepker, der den DDR-Alltag mit all seinen Brüchen einfing, und bewegende Zeugnisse von Daniel Biskup, der bis Ende der 90er Jahre mit seiner Kamera das Leben in der zerfallenden Sowjetunion und in den Krisengebieten des Balkans beleuchtete.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) eröffnete die Ausstellung am Dienstagabend. Sie nannte Hoepker und Biskup „zwei begnadete Fotografen“. Die Kanzlerin Merkel erinnerte in ihrer Rede auch an den Tag des Mauerbaus, den ihre Eltern unter Tränen erlebt hätten. Die Mauer sei „das traurige Symbol des geteilten Deutschlands“ gewesen. Den friedlichen Verlauf des Mauerfalls würdigte sie als „historischen Schatz“.

Museumspräsident Dieter Vorsteher-Seiler sagte, 50 Jahre nach dem Bau der Berliner Mauer habe sein Haus nicht nur an die Ereignisse des 13. August 1961 erinnern wollen. Die beiden Fotografen aus zwei Generationen dokumentierten vielmehr, welche Folgen die Spaltung Berlins und der Ost-West-Konflikt für die Menschen hatten.

„Es sind Blicke hinter die Fassaden“, sagte Kuratorin Carola Jüllig über Hoepkers DDR-Bilder. Der Münchner lebte von 1974 bis 1976 in Ost-Berlin und berichtete über das Leben im deutschen Sozialismus. „Wir wohnten in einer Platte in Weißensee, das war nicht sehr gemütlich, aber sehr DDR-gemäß“, sagt Hoepker über sein Leben als einer der ersten in Ost-Berlin ständig akkreditierten westdeutschen Journalisten.

„Hoepker fotografierte die Menschen in der DDR ironisch-distanziert und trotzdem mitfühlend“, meinte Jüllig. In einer Serie zeigt er beispielsweise kaum gefüllte Einkaufsbeutel, eine andere Reihe widmet sich Schaufenster-Dekorationen, wo fünf Hüte oder drei Armbänder ein einsames Ensemble bilden. „Wir wollten auch fair sein und uns nicht nur geifernd über die DDR aufregen“, sagte Hoepker über seine Alltagsfotografie.

Nach der friedlichen Revolution 1989 hielt Hoepker den Umbruch fest. Spuren des Alten und Neuen finden sich in seinem Werk, etwa im Foto einer alten Supermarktbesucherin vor einer Milka-Kuh, das zu Hoepkers Lieblingsbildern gehört. „Die Frau kann gar nicht einordnen, was mit ihrer Welt passiert und was diese lila Kuh soll“, erläuterte Jüllig.

Auch Daniel Biskup, beim Mauerfall gerade 26 Jahre alt, wollte geschichtlichen Wandel festhalten. „Ich fand es spannend, in Ländern zu fotografieren, von denen klar war, dass es sie in wenigen Monaten oder einem Jahr nicht mehr gibt“, sagte Biskup. Er brach sein Studium ab und bereiste Osteuropa, um alles zu fotografieren, was ihm vor die Linse kam: Einschusslöcher an den Häusern, sehnsüchtige Blicke in Flüchtlingslagern oder den Einsatz der Bundeswehr im Kosovo.

„Biskup ist den Ereignissen hinterhergelaufen“, erläuterte Jüllig. Immer wieder sei er aufgebrochen, um das Leben und Überleben der Menschen in der Sowjetunion und im zerbrechenden Jugoslawien einzufangen. „Aber neben dem Elend, in dem die Menschen leben mussten, sieht man in seinen Bildern auch den Hoffnungsschimmer - in den Blicken der Kinder liegt die Zukunft.“

Viele der großformatigen Fotografien waren noch nie öffentlich zu sehen. „Fotos verändern sich über die Zeit“, sagte Hoepker. „Es gibt Bilder, die man selbst in die B-Schublade legt. Aber dann wandeln sie sich magischerweise, weil man einen anderen Blickpunkt bekommt oder etwas übersehen hat.“