Ärzte verweigern Aussage im Winnenden-Prozess
Stuttgart (dpa) - Wussten Ärzte und der angeklagte Vater von Tötungsfantasien des Amokläufers von Winnenden? Diese Frage wird auch der neue Prozess um die Bluttat kaum klären können.
Im neuen Verfahren verweigerten die Ärzte und Therapeuten einer psychiatrischen Klinik in Weinsberg wieder die Aussage. Das geschah am Freitag mit Zustimmung des Gericht. Wie schon im ersten Verfahren sprach ihnen das Stuttgarter Landgericht bei der Neuauflage ein Recht auf Zeugnisverweigerung zu.
Da der spätere Amokschütze die vier Mitarbeiter bei seiner Untersuchung 2008 nicht ausdrücklich von der Schweigepflicht entbunden habe, liege die Entscheidung bei ihnen, machte der Vorsitzende Richter deutlich. Die Ärzte und Therapeuten - darunter die Chefärztin und ein Oberarzt der Klinik - hatten zuvor erklärt, dass sie keine Angaben machen wollen.
Angeklagt ist der 53-jährige Vater des Amokläufers, der auch den dritten Prozesstag im Gerichtssaal verfolgte. Er hatte unverschlossen im Schlafzimmer jene Waffe aufbewahrt, mit der sein Sohn am 11. März 2009 in Winnenden und Wendlingen 15 Menschen und sich selbst erschoss. Im ersten Verfahren war der Sportschütze unter anderem wegen fahrlässiger Tötung zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der Bundesgerichtshof kassierte das Urteil jedoch wegen Verfahrensfehlern.
Der Vorsitzende Richter Ulrich Polachowski hatte vor der Entscheidung am Freitag an die Mediziner appelliert: „Sie sollten sich nicht hinter der Schweigepflicht verstecken, nur um zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen aus dem Weg zu gehen.“ Die Ärzte versicherten daraufhin, dass sie ihre Entscheidung gründlich abgewogen hätten, und dass der Persönlichkeitsschutz ihres Patienten für sie Vorrang habe.
Nach dem Amoklauf drohen dem Vater Schadenersatzforderungen in Millionenhöhe, etwa von der Stadt Winnenden. Die Verteidigung des Angeklagten hat deshalb bei der Klinik schon Ansprüche angemeldet. Laut einem Abschlussbericht der Psychiatrie, der erst nach dem Amoklauf erstellt wurde, ging von dem 17-Jährigen keine Gefahr aus.