Pandemie Ärztekammer kritisiert Corona-Datenblindflug in Deutschland

Berlin · Die bisherige Corona-Datenbasis liefere „keine gute Grundlage für rationale Entscheidungen“, kritisiert Ärztepräsident Reinhardt. Der Expertenrat erwartet im Herbst erneut eine erhebliche Belastung für das Gesundheitssystem.

Ärzte und Experten mahnen im Kampf gegen Corona eine bessere Datenbasis an.

Im Kampf gegen die Corona-Pandemie braucht Deutschland aus Sicht der Bundesärztekammer dringend eine bessere Datenbasis.

„Wir haben in den letzten zweieinhalb Jahren einen wahren Datenblindflug erlebt, der keine gute Grundlage für rationale Entscheidungen war“, sagte Ärztepräsident Klaus Reinhardt der Funke-Mediengruppe.

Nur wenn Klarheit über das tatsächliche Infektionsgeschehen herrsche, könne die Belegung der Krankenhaus- und Intensivbetten realistisch prognostiziert werden. Die Bundesregierung sollte sich daher den Rat ihrer Experten zu eigen machen und endlich systematisch Daten zu Infektionsdynamik, Krankheitsschwere und zur Belastung des Gesundheitswesens erheben und auswerten.

Expertenrat erwartet Belastung des Gesundheitssystems

Ähnlich wie Reinhardt äußerte sich auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß. Die Politik rief er in der „Rheinischen Post“ auf, die Frage zu klären, „wer die Kosten für die notwendigen IT-Investitionen übernimmt“.

Der Expertenrat erwartet im Herbst und Winter erneut eine erhebliche Belastung des Gesundheitssystems. Er empfiehlt eine Rechtsbasis für schnelle Reaktionen auf möglicherweise steigende Infektionszahlen im Herbst und Winter und dringt auf langfristige Verbesserungen - etwa bei Datenanalyse und Prognose.

Der Rat fordert zudem Einheitlichkeit - nämlich eine zentrale Koordination der Pandemiemaßnahmen zwischen Bund und Ländern und eine bundesweit möglichst einheitliche und schnelle Kommunikation aller bestehenden Regelungen und Empfehlungen.

Streeck: „Können uns auf alles vorbereiten“

Der Bonner Virologe Hendrik Streeck hofft auf Entscheidungen der Politik, die den Vorschlägen des Expertenrats entsprechen. Das sagte Streeck in der ARD-Sendung „maischberger“. Unabhängig davon, ob es eine Sommer-Coronawelle gebe oder nicht, müssten ohnehin Vorbereitungen für den Herbst getroffen werden. Die Politik habe viele schützende Instrumente wie Impfung und Masken an der Hand. „Wir können uns auf alles vorbereiten“, sagte Streeck.

Auf die Frage, wie er zu der Möglichkeit eines neuen Lockdowns stehe, sagte er: „Ich würde keinen Lockdown empfehlen.“ Auch in der Stellungnahme des Expertenrats war davon nicht die Rede. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte zuvor betont, die Stellungnahme werde zur „Basis für den Corona-Herbstplan der Bundesregierung“.

(dpa)