Amanda Knox unter Jubel in die USA zurückgekehrt

Seattle/Rom (dpa) - Die US-Studentin Amanda Knox ist nach ihrem spektakulären Freispruch wieder Zuhause. In Begleitung ihrer Eltern traf die 24-Jährige, die auch als „Engel mit den Eisaugen“ bekannt wurde, am Dienstagabend auf dem Flughafen in Seattle (US-Bundesstaat Washington) ein.

Dort wurde die zu Tränen gerührte junge Frau von Familie, Freunden und jubelnden Schaulustigen empfangen. Das US-Fernsehen übertrug ihre Ankunft live. In Italien wird das Urteil in dem Mordprozess kontrovers diskutiert. Die Staatsanwaltschaft will in Berufung gehen.

Ein Geschworenengericht hatte die Amerikanerin und ihren Ex-Freund Raffaele Sollecito am Montagabend in der umbrischen Stadt Perugia in zweiter Instanz freigesprochen. Knox war für die Ermordung der britischen Studentin Meredith Kercher im Jahr 2007 in einem Indizienprozess zu 26 Jahren Haft verurteilt worden.

In einer kurzen Ansprache am Flughafen sagte Knox mit zittriger Stimme, sie sei „wirklich überwältigt“. Sie wolle sich bei allen bedanken, „die an mich glaubten, mich verteidigten und meine Familie unterstützen“. Ihre Familie sei ihr im Moment am wichtigsten. Sie wolle jetzt nur Zeit mit ihr verbringen. Ihr Vater Curt Knox sprach auf einer Pressekonferenz im Fernsehen zuvor von „sehr langen vier Jahren“, die sie in Italien im Gefängnis saß. „Sie ist ein sehr starkes Mädchen, aber das war eine harte Zeit für sie.“

Auf längere Sicht wolle Amanda wieder zur Uni zurückkehren und ihren Abschluss machen, sagte der Vater weiter. Sie studierte an der University of Washington in Seattle, bis sie im Herbst 2007 zu ihrem Auslandsjahr in Italien aufgebrochen war.

„So feiert Amerika seine verlorene und wiedergefundene Tochter“, beschrieb die römische Tageszeitung „La Repubblica“ am Mittwoch den Empfang der 24-Jährigen: „In Seattle landet eine Heldin.“ Während in Italien eine Debatte um ihren Freispruch weitergeht, berichteten US-Medien wie der Fernsehsender CNN voller Sympathie über die junge Frau und sprachen von einer „emotionalen Rückkehr“ von einer „traumatischen Reise“.

Einen Streit löste der ehemalige italienische Justizminister Angelino Alfano mit der Frage aus, wer denn die Amerikanerin für eine ungerechtfertigte Haft entschädigen werde: „In Italien zahlt niemand für die Justizirrtümer.“ Der nationale Verband der Staatsanwälte und Richter reagierte empört auf diese Äußerung des Chefs der Regierungspartei PdL (Volk der Freiheit) von Silvio Berlusconi: „Wir sind bestürzt, dass der frühere Justizminister nicht weiß, dass es in unserer Justizordnung doch drei Instanzen gibt.“

Die Staatsanwälte wollen im Fall Knox beim Kassationsgerichtshof, der dritten und letzten Gerichtsinstanz in Italien, in Berufung gehen. Bis zur Entscheidung des Gerichts dürften allerdings noch Monate vergehen. Doch selbst wenn der Prozess in Perugia noch einmal aufgerollt werden sollte: Amanda Knox dürfte dazu kaum freiwillig nach Italien zurückkehren.

Der Verteidigung war es im Berufungsverfahren gelungen, Lücken und Widersprüche der Ermittlungen aufzudecken, vor allem bei angeblichen DNA-Beweisen. Die britische Austauschstudentin Kercher war im November 2007 mit durchschnittener Kehle und von Messerstichen übersät in ihrer und Knox' gemeinsamer Wohnung in Perugia gefunden worden. Nach Auffassung der ersten Instanz hatten Knox und Sollecito sie bei Sexspielen getötet.

Der Vorsitzende des Gerichts in Perugia, Claudio Pratillo Hellmann, widersprach derweil kritischen Stimmen, die den Druck von Medien als ausschlaggebend für den Freispruch eingestuft hatten. „Es gab keinen Einfluss seitens der Medien“, sagte Hellmann am Mittwoch Journalisten in der umbrischen Stadt. „Wir haben das Urteil im Namen des Volkes gefällt, also auch für jene, die dann "Schande" gerufen haben.“

Knox sei erst einmal „absolut unschuldig“, man habe sie nicht vorsorglich in Italien festhalten können in Erwartung eines späteren Urteils des Kassationsgerichtshofes. Was den Mord angehe, bleibe die Wahrheit im Dunkeln. Niemand könne sagen, wie das abgelaufen sei, ausgenommen der in zweiter Instanz wegen Beihilfe bereits verurteilte Rudy Guede.