Ameisen: Größenvergleich von Hirnarealen sagt wenig aus
Würzburg (dpa) - Die Größe bestimmter Gehirnteile sagt nur sehr begrenzt etwas über deren Leistungsfähigkeit aus. Zu diesem Ergebnis kommen Würzburger Forscher nach der Untersuchung verschiedener Typen einer Ameisenart.
„Mit einer reinen Volumenmessung ist man meist schlecht bedient, sondern man muss sich wirklich die Schaltkreise anschauen“, sagte der Neurobiologe Professor Wolfgang Rössler. Dies gelte sowohl für die absolute als auch für die relative Größe, also den Anteil am gesamten Gehirn eines Individuums.
Die Volumenmessung sei in der Hirnforschung ein häufig genutztes Werkzeug, erläuterte Rössler. „Auch innerhalb einer Spezies oder bei nah verwandten Arten misst man oft Volumina von Gehirnteilen, setzt sie in Relation zueinander und argumentiert dann, dass ein Gehirnteil zunimmt und deshalb die Leistungsfähigkeit höher ist.“
Für die Studie, die in der Fachzeitschrift „Proceedings B“ der britischen Royal Society erschienen ist, nahm Rösslers Team zwei unterschiedlich große Typen von Blattschneiderameisen unter die Lupe. Das Gehirn der „Mini-Arbeiterinnen“, die im unterirdischen Nest Pilze züchten, ist deutlich kleiner als das ihrer bis zu 200 Mal schwereren Artgenossinnen, die für die Beschaffung von Blättern zuständig sind. Das für Lern- und Gedächtnisleistungen zuständige Areal, der sogenannte Pilzkörper, nimmt aber bei den „Mini-Arbeiterinnen“ im Vergleich einen größeren Teil des Hirns ein.
Frühere Untersuchungen hätten gezeigt, dass in manchen Gehirnarealen eine Miniaturisierung möglich sei, sagte Rössler. Dort können die kleineren Ameisen also die gleiche Zahl an Synapsen auf weniger Platz unterbringen wie ihre größeren Artgenossen. „Klassische Studien hätten jetzt interpretiert: Die investieren noch mehr in Lernen und Gedächtnis“, sagte Rössler. Doch Messungen der Zahl der Synapsen im duftverarbeitenden Bereich des Pilzkörpers zeigten, dass dem nicht so sei. Im Gegenteil: Die großen Ameisen haben wesentlich mehr Synapsen in diesem Bereich.
„Zunächst einmal ist es trivial, dass ein großes Gehirn nicht gleichzeitig auch schlauer ist“, kommentierte Professor Bernd Grünewald vom Institut für Zellbiologie und Neurowissenschaft der Universität Frankfurt. Den Schluss der Autoren hält er dennoch für sinnvoll: „Das ist die Stärke der Arbeit, dass sie die Volumenbetrachtung kombiniert mit der Zahl der Kontaktstellen. Das ist neu“. Lange Zeit sei es ein Dogma gewesen, sich allein die Größe eines Gehirnteils in Relation zum gesamten Gehirn anzusehen.
Nach Einschätzung der Autoren haben die Ergebnisse auch Bedeutung für die Hirnforschung insgesamt, denn die biotechnische Grundlage des Gedächtnisses sei „frappierend übereinstimmend zwischen Säugern, Mensch, Maus, Ratte bis hin zu Ameisen und Bienen“.