Aphrodites Geheimnis - Schönheitsprodukte aus dem Meer
Kiel (dpa/tmn) - In den Tiefen des Meeres gibt es viele Lebewesen und Stoffe, die unsere Schönheit bereichern: Algen zum Beispiel straffen die Haut, Kaviar regt den Zellstoffwechsel an.
Die Zahlen sind eigentlich kaum zu fassen: Rund eine Million verschiedener Lebensformen gibt es in den Ozeanen dieser Welt. Dazu kommen rund eine Milliarde Mikroorganismen. Das ist das Ergebnis des „Census of Marine Life“, einer Volkszählung der Meere, an der vor drei Jahren 2700 Forscher beteiligt waren. Diese Zahlen machen jedoch nicht nur klar, wie vielfältig das Leben in den Weltmeeren ist. Sie geben auch Aufschluss über ein ungeahntes Potenzial an Wirkstoffen, die unter dem Meeresspiegel schlummern und nur darauf warten, erkundet zu werden. Etwa für die Kosmetik.
Die Forscher der internationalen Kosmetikindustrie wissen bereits seit geraumer Zeit, wie effektiv Meeresbestandteile sein können. Die Grundlage für die Forschungen rund um Schönheit aus dem Meer wurde bereits Ende des 19. Jahrhunderts gelegt. Damals entdeckte der französische Arzt Louis Bagot die Heilkraft des Wassers - und eröffnete in der Bretagne das erste Thalasso-Institut.
Am Wirkprinzip hat sich nichts geändert: Masken aus Schlick oder Bäder mit Salzwasser nebst den darin lebenden Mikroorganismen sind eine Wohltat für die Haut. Mittlerweile allerdings ist die Wissenschaft ein geraumes Stück weiter: Wirkstoffe aus Algen oder Plankton sind in zahlreichen Cremes, Seren oder Masken enthalten.
Dafür gibt es mehrere Gründe: „Vor allem für Allergiker und Menschen mit sensibler Haut sind Produkte auf Basis von Meereswirkstoffen eine gute Alternative“, erläutert Uta Schlossberger, Dermatologin aus Köln. „Denn sie enthalten weder Mineralöle noch chemische Farbstoffe. Darüber hinaus sind sie völlig ph-neutral.“ Doch die Pflege aus dem Meer bietet noch mehr: „Viele Wirkstoffe mariner Herkunft sind sehr gut wasserlöslich und können deshalb besonders leicht ins Innere der Haut eindringen“, erklärt Antje Labes, Mikrobiologin am Geomar-Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel.
Ein besonderes Augenmerk legt die Kosmetik-Forschung auf Algen: Damit diese Meeresbewohner wachsen können, holen sie sich Nährstoffe wie Vitamine, Mineralien und Spurenelemente direkt aus dem Wasser und speichern sie ab. In einem Kilogramm Algen befinden sich die Wirkstoffe aus rund 100 000 Litern Meerwasser. „Diese hohe Konzentration an Wirkstoffen ist typisch für Algen und Co.“, erklärt Elena Helfenbein, Expertin des VKE-Kosmetikverbandes in Berlin. „Das macht sie in der modernen Kosmetik so effektiv.“
Bei genauer Untersuchung entdeckten die Forscher weitere Eigenschaften von Algen, die der Schönheit nutzen: Eine Braunalge mit dem Namen Laminaria Ochroleuca beispielsweise trotzt der Brandung, indem sie sich selbst strafft. Möglich macht das ein hoher Anteil an pflanzlichem Kollagen, das in der Anti-Aging-Pflege eingesetzt wird und der Haut mehr Festigkeit verleiht. Eine weitere Algenart dagegen hat die Fähigkeit entwickelt, sich durch antibakterielle Substanzen vor dem Eindringen von Bakterien zu schützen. Dieser Wirkstoff wird in Cremes gegen unreine und fettige Haut verwendet. Wieder andere Arten produzieren einen speziellen Zucker, der gegen Umwelteinflüsse schützt und Verwendung findet als Radikalen-Fänger.
Neben Algen spielen auch andere Organismen aus dem Ozean eine Rolle in der modernen Schönheitspflege: Kaviar ist heute nicht allein Bestandteil eines edlen Menüs im Sterne-Restaurant, sondern auch in Cremes enthalten. Der Grund: Die Fischeier enthalten spezielle Eiweißverbindungen, die den Zellstoffwechsel der Haut anregen. Auch Plankton findet sich in vielen Pflegeprodukten. Die Kleinstlebewesen verlangsamen den Abbau des hauteigenen Kollagens und regen darüber hinaus die Speicherfähigkeit von Feuchtigkeit an.
Muscheln dagegen sind wahre Verteidigungsexperten: Sie wehren sich gegen Eindringlinge wie Sandkörner, indem sie Perlmutt produzieren. Dieses besteht zum großen Teil aus Kalziumkarbonat - ein Wirkstoff, den die Kosmetik ebenfalls entdeckt hat: Er kräftigt das Bindegewebe. Die sogenannte Meerseide schließlich wird aus den Eiweißfäden gewonnen, mit denen Miesmuscheln Halt an glitschigen Felsen finden. Dieser Stoff wird in Haarpflegeprodukten eingesetzt.
„Wenn man sich vor Augen führt, dass wir heute weniger als 0,1 Prozent der Mikroorganismen kennen, die in den Ozeanen der Welt vorhanden sind, kann man sich vorstellen, wie groß die Chancen sind, ganz neue Wirkstoffe zu entdecken“, wagt Meeresforscherin Antje Labes einen Ausblick in die Zukunft.