EU-Erhebung Armut macht krank

Exklusiv | Berlin · Menschen mit hohen Einkommen in Deutschland fühlen sich nach eigener Einschätzung im Schnitt deutlich gesünder als Menschen mit niedrigen Bezügen.

Auch im Alter von 65 Jahren aufwärts sind die Unterschiede noch erheblich.

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Das geht aus aktuellen Zahlen des EU-Statistikamtes Eurostat über die sozialen Lebensbedingen in Europa hervor, die unserer Redaktion vorliegen.

Am stärksten ausgeprägt sind die Unterschiede demnach bei den Bundesbürgern im Alter zwischen 45 und 64 Jahren. Von ihnen schätzten 2017 im obersten Einkommensfünftel fast 76 Prozent ihre Gesundheit als gut oder sehr gut ein. Im untersten Einkommensfünftel dagegen waren es lediglich etwas mehr als 35 Prozent. Ihre persönliche Gesundheit als schlecht beziehungsweise sehr schlecht stufte jeder vierte Bürger im ärmsten Einkommensfünftel ein. Im obersten Einkommensbereich war es nur jeder 25. Bürger.

Auch im Alter von 65 Jahren aufwärts sind die Unterschiede noch erheblich. Im untersten Einkommensfünftel fühlten sich nur 32 Prozent der Menschen gesundheitlich in guter oder sehr guter Verfassung. Im obersten Bereich dagegen fast 57 Prozent. Als schlecht oder sehr schlecht sah jeder fünfte Ruheständler mit kleinen Einkünften seine Gesundheit an. Bei Menschen mit sehr guten Einkünften war es nur jeder Zehnte.

Nach der aktuellen EU-Statistik wird in Deutschland ins unter Einkommensfünftel eingeordnet, wer im Jahr nicht mehr als 14.422 Euro zur Verfügung hat. Das oberste Fünftel beginnt bei mehr als 32.537 Euro im Jahr. Zu den Einkünften zählen neben Löhnen oder Renten auch alle staatlichen Transfers wie etwa Wohngeld oder Grundsicherung, also Hartz IV.

Nach Einschätzung der Sozialexpertin der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann, deuten die Daten auf einen bekannten Zusammenhang hin: „Armut macht krank“. Menschen mit geringen Einkommen hätten oftmals schon im mittleren Lebensalter gesundheitliche Probleme, so Zimmermann gegenüber unserer Zeitung. Allerdings gelte auch umgekehrt, dass Krankheit arm mache. „Wer beispielsweise krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten kann, fällt schnell in Armut, denn die Erwerbsminderungsrente reicht nicht zum Leben“. Die Hälfte dieser Renten liege unter 800 Euro im Monat. 15 Prozent der Betroffenen seien deshalb ergänzend auf Grundsicherung angewiesen, rechnete Zimmermann vor.

Die Befragung über Einkommen und bestimmte Lebensbereiche wie Gesundheit oder die Wohnsituation wird von den EU-Statistikern seit 2005 regelmäßig in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Union sowie in Norwegen und Island durchgeführt. In Deutschland werden dafür jedes Jahr 14.000 private Haushalte einbezogen. Alle Haushaltsmitglieder ab 16 Jahre bekommen dazu einen entsprechenden Fragebogen vorgelegt. Grundlage ist der sogenannte Mikrozensus, die größte repräsentative Haushaltsbefragung in Deutschland.