Auf den Spuren des Steinöls am Achensee

Pertisau/Achenkirch (dpa/tmn) - Unzählige Menschen schwören auf die heilende Kraft des Steinöls. Gewonnen wird es am Tiroler Achensee. Kein Wunder, dass dort auch das moderne Wellness-Hotel erfunden wurde.

Es war einfach ein Glücksgriff in der Berghütte - damals, vor mehr als 100 Jahren. Martin Albrecht war durch das Karwendel-Gebirge oberhalb des Achensees in Tirol gewandert, als ihn ein schweres Gewitter überraschte. Er suchte Schutz in der Gaisalm-Hütte und versuchte, sich an dem noch glimmenden Feuer im Kamin zu wärmen. Draußen tobten Regen und Sturm. Drinnen langweilte sich Albrecht und warf Steinchen ins Feuer. Plötzlich brannte eines der Bröckchen - Martin Albrecht konnte sein Glück kaum fassen. Durch einen Zufall hatte er gefunden, wonach er so lange im unwegsamen Gebirge hoch über dem Achensee gesucht hatte: Ölschiefer.

Im Mariastollen unter dem See hatte man Ölschiefer gefördert - doch nach der Jahrhundertwende neigten sich die Vorräte dem Ende. Für die Albrechts war der Ölschiefer Existenzgrundlage - und der Fund oben auf dem Berg, am westlichen Steilufer des größten Tiroler Sees, rettete die Familie.

Aus dem Ölschiefer wird in einer aufwändigen Prozedur Steinöl gewonnen - ein merkwürdiger, aber gefragter Stoff. Schwarz, zähflüssig, nicht besonders wohlriechend. Und dennoch gibt es unzählige Menschen in Tirol und auf der ganzen Welt, die auf die Flüssigkeit schwören. Um sich damit massieren zu lassen, um Leiden des Bewegungsapparates zu behandeln und um das Wohlbefinden zu verbessern.

In den Dutzenden Hotels um den Achensee ist das Steinöl - pur und verarbeitet zu Salben, Lotionen und Massageprodukten - nicht mehr von den Spa-Menüs wegzudenken. Was früher Mensch und Tier gleichermaßen half, weil es halt schon immer half, ist heute wissenschaftlich untersucht und analysiert. Und hilft noch immer.

Der Achensee ist im deutschsprachigen Raum der einzige Ort, an dem Steinöl gewonnen wird. Zwar ist der Ölschiefer nicht so selten, sagt Günther Albrecht beim Gang durch den Vitalberg: „Aber die Destillation des Öls ist sehr, sehr aufwändig.“

In Achenkirch, hat ein Pionier der Hotellerie ein kleines Paradies geschaffen: Karl Reiter gilt als Erfinder der Wellness-Hotels. Einst erbte er von den Eltern, wie das hier üblich ist, das „Posthotel“. Ein Hotel so wie viele andere auch, dort, wo einst die Posthalterei war. Doch Karl Reiter wollte nicht einfach nur der Chef des „Posthotels“ sein - er wollte seinen Gästen Abwechslung bieten im Urlaub.

Er wollte von allem etwas, ein Rundum-Erlebnis. Und erntete viele verdutzte Blicke, wo immer er sein Konzept vorstellte. Aber Karl Reiter war stur - und schließlich setzte er sein Konzept um. Heute ist er ein vielfach ausgezeichneter Hotelier mit einer Lipizzanerzucht. Sein „Posthotel“ hat eine Schönheitsfarm, Tennisplätze, ein hauseigenes Kino, ein Fitnessstudio, eine haubengekrönte Gourmetküche - und einen Meditations- und Bewegungsraum, in dem ein Shaolin-Mönch in die Geheimnisse seiner Kunst einweiht.