„Ausgezogen“: Unterwäsche im Museum
London (dpa) - „Ausgezogen: Eine kurze Geschichte der Unterwäsche“, so lautet der reizvolle Titel einer Schau im altehrwürdigen Victoria and Albert Museum (V&A) in London.
Das führende Londoner Museum für Kunst und Design, unter Leitung des deutschen Kulturwissenschaftlers Martin Roth, hat dafür nicht nur die eigenen Archive und Schubladen seiner reichhaltigen Textilbestände entleert: Mehr als 60 Neuanschaffungen und Spenden aus führenden zeitgenössischen Modehäusern sollen garantieren, dass die neue Schau, wie schon zuvor Ausstellungen über glitzernde Hochzeitskleider, modische Schuhe oder königliche Juwelen, zum Publikumsrenner wird. Die Ausstellung „Undressed: A Brief History of Underwear“ läuft vom 16. April bis zum 12. März 2017.
Etwa 80 Prozent der mehr als 200 Exemplare weiblicher und männlicher Unterwäsche stammen aus dem Besitz des Museums. Designer-Kreationen aus Spitze und Nylon, die ehemals von Models und Prominenten wie Kate Moss oder Gwyneth Paltrow getragen wurden, zählen ebenso zu den Highlights wie David Beckhams Unterhosen mit Y-Eingriff oder ein mit Kristallen verziertes Wespentaillenkorsett der Burlesque-Tänzerin Dita Von Teese. Auch Baumwoll-Pluderhosen aus viktorianischer Zeit und ein warmer Onesie-Anzug für den Luftschutzkeller fehlen nicht. Zu sehen ist auch ein Feigenblatt aus Gips, das Queen Victoria um 1860 anfertigen ließ, um ihr bei einem Besuch des nach ihr benannten Museums den Anblick auf die bloßgelegte Männlichkeit einer Plastik von Michelangelos David zu ersparen.
Im 18. Jahrhundert, so stellt Kuratorin Edwina Ehrman eher nüchtern fest, hatte Unterwäsche - für Mann und Frau - im wesentlichen zwei Funktionen: Hygiene und Strukturgebung für die Kleidung. Steife Mieder mit Walfischknochen, Reifenröcke, Petticoats, Krinoline und unter den Kleidern verborgene Polster wurden schon bald von dem Trend abgelöst, mit Korsetts die natürlichen Körperformen zu unterstreichen. Die folgende hitzige Diskussion des späten 19. Jahrhunderts darüber, wie das restriktive Korsett komfortabler und weniger gesundheitsschädlich zu gestalten sei, zeigt laut Ehrman die enge Beziehung zwischen Unterwäsche und sozialem, kulturellem und technischem Wandel.
Zu den Highlights unter den 36 ausgestellten Korsetts zählt ein fuchsienfarbiges französisches Luxus-Exemplar von circa 1890, das nach Einschätzung zeitgenössischer Kritiker geradezu dazu geschaffen war, „angeschaut zu werden“. Ein Papierkorsett aus den Sparzeiten des Ersten Weltkriegs sowie spätere elastischere Exemplare zum Reiten, Tennis und Radsport zeugen laut Ehrman von der großen Wirkung des technischen Fortschritts auf Mode und gesellschaftliche Entwicklung. Ein rot-schwarzes Latexkorsett als „zweite Haut“ habe „erotisches Potenzial.“
Die revolutionäre Erfindung des Büstenhalters und seine Folgen für den sozialen Status der Frau werden ebenso eingehend geschildert wie der moderne Trend, Unterwäsche ungeniert zu zeigen oder gar als Oberwäsche zu tragen. Dessous, so Ehrman, seien zu einem Requisit geworden, das „auf der Vorstandsetage Macht verleiht, im Café den Flirt startet und im Schlafzimmer verführt“.