Anbetung und Verklärung Ausstellung beschwört Wunder Roms
Paderborn (dpa) - Wer in diesem Frühjahr und Sommer einen Hauch der Ewigen Stadt schnuppern will, muss nur bis Ostwestfalen reisen: Das Diözesanmuseum in Paderborn widmet Rom - oder vielmehr der Wahrnehmung der Stadt am Tiber - eine Ausstellung.
„Wunder Roms. Im Blick des Nordens von der Antike bis zur Gegenwart“ (31.3. - 13.8.) fragt nicht danach, wie Rom wirklich ist, sondern wie das „Haupt der Welt“ gesehen wurde und wird: Als Sehnsuchtsort von Pilgern, idealisierte Hauptstadt eines untergegangenen Reichs, vor Geschichte brodelndes Machtzentrum des Christentums, Reiseziel von Künstlern auf der Suche nach antiker Schönheit, schließlich Touristenmagnet.
Die Reise durch Paderborns Rom beginnt mit einer Demonstration einstiger Größe: Zu den beeindruckenden Exponaten der Schau gehört eine 1,70 hohe Marmorhand mit emporgerecktem Zeigefinger - der Rest einer gigantischen Statue, die Kaiser Konstantin der Große um 315 nach Christus von sich selbst auf dem römischen Kapitol hatte errichten lassen.
Solche und andere Monumente lagen jedoch in Ruinen, als die frühen christlichen Pilger Rom entdeckten - die Millionenstadt war zu einer Kleinstadt mit kaum mehr 20 000 Einwohnern geschrumpft, erzählt Museumsdirektor Prof. Christoph Stiegemann. „Die Pilger hatten zunächst nur Augen für die Märtyrergräber und heiligen Stätten“, sagt der Kunsthistoriker über diese Frühzeit des christlichen Roms und deutet auf uralte Reliquien-Schatullen und andere reich verzierte Schätze in den Ausstellungsvitrinen.
Rom sei die einzige Metropole, die ihren Untergang abgewendet und sich zu neuer Kraft aufgeschwungen habe - so versucht Stiegemann die wundersame Faszination Roms zu begründen. Die Päpste hätten es geschafft, die Leerstelle, die das Römische Reich hinterlassen hatte, zu besetzen, mit neuer Bedeutung aufzuladen, erklärt er. Ewige und Heilige Stadt, die beiden wichtigsten Attribute Roms, gehören zusammen.
Weiter führt die Schau durch die Jahrhunderte: Alte Pilgerreiseführer und Karten dokumentieren, welche Abenteuer die Gläubigen auf sich nahmen. Mit der Renaissance wird die Antike dann zum Inbegriff des Kunstideals: Scharen von Künstlern pilgern nun über die Alpen, um anhand uralter Schätze wie der berühmten Laokoon-Gruppe oder anderer Statuen im vatikanischen Belvedere-Hof das antike menschliche Ideal zu studieren.
Zeugnis davon geben in der Paderborner Schau etwa Adriaen des Vries' vergoldete Bronzefigur des mit einer Schlange ringenden Laokoons oder William Turners Studie des berühmten Torso von Belvedere. Goethes Loblied auf Italiens Hauptstadt („Ich kann sagen, dass ich nur in Rom empfunden habe, was eigentlich ein Mensch sei“) tut sein Übriges, Bella Roma als Sehnsuchtsziel zu etablieren.
Der zeitgenössische Blick auf die Wunder Roms gelingt in der Ausstellung durch die Linse des Fotografen und Videokünstlers Christoph Brech. Die Bilder des Münchners waren Ausgangsimpuls für die Idee zur Ausstellung, berichtet Stiegemann. Jetzt sind die beeindruckenden Aufnahmen wichtiger Schlussakzent: Die Fotos spielen mit der Schönheit von Architektur, antiker Kunst, entlarven aber gleichzeitig auch die Verklärung des römischen Mythos.
Aus ungewöhnlichen Perspektiven zeigt er die Sixtinische Kapelle, in Unschärfe verwischte Touristenmassen in den Vatikanischen Museen, Kardinäle in Belagerung von internationalen Kamerateams, dann eine papierumwickelte Schnapsflasche vor dem Eingang zum berühmten Pantheon. „Rom“, sagt Stiegemann, „brodelt noch heute“.