Australier erlebt Gefängnis-Hölle Thailands
Autor wegen Majestätsbeleidigung verurteilt. Zeitweise mit 50 Kriminellen in einer Zelle.
Singapur. Wie ein Häufchen Elend sitzt der Australier Harry Nicolaides im Gericht in Bangkok auf der Anklagebank: barfuß und mit Fußfesseln, in beigefarbener Gefängniskleidung und mit kahlgeschorenem Kopf. Der 41-Jährige ringt um Fassung.
Der Autor ist in einem horrenden Alptraum gelandet. Wegen Majestätsbeleidigung angeklagt hat er bereits fünf Monate mit Kriminellen in einer Massenzelle verbracht. Am Montag kam das Urteil: drei Jahre Haft, weil er Reue zeigte. Nach thailändischen Maßstäben ist das ein mildes Urteil.
Was die Königsfamilie angeht, kennen die Gesetzeshüter keinen Spaß. Kritik ist tabu. Darauf stehen 15 Jahre Haft, und ein thailändischer Knast ist nicht mit einer deutschen Strafvollzugsanstalt zu vergleichen. Was genau als Beleidigung gilt, ist unklar. So halten die meisten Thailänder aus Angst den Mund. Ausländer wie Nicolaides aber stolpern manchmal in die Gesetzesfalle.
Der Australier hatte nach mehreren Jahren in Thailand 2005 einen Roman verfasst. Darin schrieb er kurz über den Lebenswandel eines namentlich nicht genannten Prinzen. Das Buch erschien im Eigenverlag mit 50 Kopien. Sieben wurden verkauft.
Doch schickte Nicolaides fatalerweise ein Exemplar an das Königshaus, um zu fragen, ob der Text so genehm sei, sagte sein Anwalt Mark Dean. Die Antwort blieb aus, bis August 2008: Als Nicolaides in Bangkok ins Flugzeug steigen wollte, wurde er festgenommen. Die Ankläger hatten besagte Buchpassage auf Kronprinz Vajiralongkorn bezogen.
Was Nicolaides genau schrieb, bleibt im Dunkeln. Reporter würden selbst Anklagen riskieren, wenn sie seine Worte wiederholten.Thailand steht vor einer Zäsur: König Bhumibol Adulyadej (81) regiert seit 62 Jahren und wird wie ein Gottkönig verehrt. Seine Gesundheit lässt nach.
Ob der Kronprinz mit derselben Verehrung rechnen kann, bleibt abzuwarten. "Das Land profitiert enorm von der Monarchie als stabilisierender Kraft", sagte Ministerpräsident Abhisit Vejjajiva unlängst. "Wir müssen das Gesetz aufrechterhalten und dürfen nicht zulassen, dass es zu liberal interpretiert wird."
Der hochgewachsene Nicolaides erscheint im Gericht wie ein gebrochener Mann. Verzweifelt klammert er sich mit beiden Händen an die Gitterstangen des Käfigs, in dem die Untersuchungshäftlinge sitzen. Tränen strömen über sein Gesicht. Unaussprechliche Pein habe er erlebt, sagt er Reportern. "Er sitzt nachts mit 50 Mann in einer Zelle", sagte sein Anwalt im November im australischen Rundfunk ABC. "Die Sanitäranlagen sind, milde gesagt, rudimentär. Es gibt Leute mit HIV-Infektion und mit Tuberkulose. Und es gibt Gewalt."
Das Urteil könnte paradoxerweise ein Lichtblick für Nicolaides sein. König Bhumibol begnadigt Ausländer in der Regel - wie vor zwei Jahren einen Schweizer, der zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war.
Thailänder haben es schwerer: Ihre Fälle machen selten Schlagzeilen, und keiner kämpft für ihre Freilassung. Im vergangenen Jahr wurde ein Mann angeklagt, der sich geweigert hatte, im Kino bei der Nationalhymne aufzustehen.