„Fifty shades auf gay“ Autor Martel beschreibt Vatikan als Schwulenhochburg

Berlin · In einem Aufsehen erregenden Buch beschreibt der französische Autor Frédéric Martel den Vatikan als Schwulenhochburg und prangert die Doppelmoral der Katholischen Kirche an.

Foto: dpa/Vincenzo Pinto

Nachts schleichen sie sich heimlich aus dem Vatikan und suchen Stricher von der Straße auf. Oder sie leben mehr oder weniger offen mit einem „Assistenten“ zusammen. Wieder andere belästigen junge attraktive Schweizergardisten mit ihren Avancen. Und nicht wenige nutzen ihre Reisen, um in der Ferne ungestört und hemmungslos ihren homosexuellen Neigungen frönen zu können. Auch schwule Pornografie wird hinter den Mauern des Vatikans eifrig konsumiert, manche Prälaten scheinen regelrecht süchtig danach zu sein. „Der Vatikan ist eine der größten homosexuellen Communitys der Welt“, schreibt der Franzose Frédéric Martel in seinem Buch „Sodom. Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan“.

Selbst in San Francisco gebe es nicht so viele Schwule wie hier. Mit dem Unterschied allerdings, dass der Vatikan auch eine Hochburg der Heuchelei sei. Denn das homosexuelle Doppelleben vieler Priester oder gar Kardinäle sei oft in der Öffentlichkeit mit einer „äußerst atemberaubenden Homophobie“ gepaart. Papst Franziskus, der nach Ansicht des Autors selbst nicht der homosexuellen „Gemeinde“ angehört, weiß über all das genau Bescheid. In einer Predigt prangerte er diese Scheinheiligkeit 2016 offen an: „Hinter der starren Strenge verbirgt sich immer etwas, in vielen Fällen ein Doppelleben. Aber das ist auch etwas Krankes.“

Der investigative Journalist Martel ist selbst homosexuell. Ihm geht es in seinem Buch nicht darum, die sexuelle Neigung vieler Kirchenmänner bloßzustellen. Er greift vielmehr das System Katholische Kirche an, vor allem das Priesterzölibat, das er eine „Fiktion“ nennt. In ihm sieht er den Kern allen Übels. Die erzwungene Ehelosigkeit begünstige die Tendenz, dass sich vor allem Homosexuelle zum Priesteramt hingezogen fühlten. Da die Kirche aber Homosexualität offiziell verurteile, müssten sie ein Doppelleben führen. Das Thema ist natürlich hochbrisant und trifft die Katholische Kirche zu einem Zeitpunkt, da sie eh schon wegen der vielen Missbrauchsskandale schwer unter Beschuss ist.

Martel ist dabei kein windiger Schreiberling und auch kein Eiferer. Sein Buch ist das Ergebnis jahrelanger Recherche, die er in 30 Ländern zusammen mit vielen Helfern unternahm. Seine Belege sind erdrückend. 1500 Interviews wurden geführt, und zwar alle vor Ort und persönlich. Sogar 41 Kardinäle waren zu Aussagen bereit. Sie werden von ihm namentlich aufgelistet. Auch mit normalen Priestern, Seminaristen und Schweizergardisten hat er gesprochen sowie mit Strichjungen aus Rom, zu deren bevorzugter Klientel Priester gehören („Sie sind treu und zahlen gut.“).

Manche Stellen in dem Buch lesen sich wie in einem schlechten Film. So erzählt Martel in dem Kapitel „Der Ring der Wollust“ von zwei schwulen Kardinälen, die ihre „Glanzzeit“ unter Papst Johannes Paul II. hatten. Sie firmieren im Vatikan unter den Pseudonymen „Platinette“ - nach einer bekannten Dragqueen - und „La Mongolfiera“. Über einen anderen Bischof kursiert intern der Spruch „Spitze bei Tag, Leder bei Nacht“. Martel gibt ihre Namen nicht preis, andere dagegen schon.

Ein besonders krasser Fall ist der des 2008 verstorbenen mächtigen kolumbianischen Kardinals López Trujillo. Unter Johannes Paul II. war er ein erbitterter Kämpfer gegen „Safer Sex“ und führte einen Feldzug gegen Kondome. Dabei lebte er selbst zügellos und mit brutalen Mitteln seine Homosexualität aus. Anwerber in der ganzen Welt führten ihm junge Männer zu. Auch Papst Benedikt ist ein Kapitel gewidmet. Er ist für Martel eine tragische Figur. Der Autor unterstellt ihm homophile Neigungen, die er aber sublimiert habe. Vielleicht gerade deshalb habe bei Benedikt der Kampf gegen die Homosexualität eine neue Dimension angenommen. Nach Ansicht von Martel war das ungelöste Schwulenthema neben der niederschmetternden Serie von Missbrauchsenthüllungen auch ein Hauptgrund für seinen Rücktritt.

Auch wenn Martel immer mal wieder auf Abwege kommt und er sich bisweilen in schwülstigen Details verliert, ist sein Buch doch alles in allem seriös und fundiert. Umso niederschmetternder ist der Inhalt. Er hat das Zeug, die Katholische Kirche weiter zu erschüttern. Der Autor selbst sieht sein Werk übrigens erst als Anfang einer längeren Enthüllungsgeschichte.

(dpa)