Urteil am Montag Bad Aibling: Staatsanwalt fordert vier Jahre Haft
Traunstein (dpa) - Der angeklagte Fahrdienstleiter im Prozess um das Zugunglück von Bad Aibling mit zwölf Toten soll nach dem Willen der Staatsanwaltschaft zu vier Jahren Haft verurteilt werden. Nach Überzeugung der Anklagebehörde ist der Bahnmitarbeiter der fahrlässigen Tötung schuldig.
„Der Vorwurf hat sich in vollem Umfang bestätigt, es gibt hier keinerlei Abstriche“, sagte Oberstaatsanwalt Jürgen Branz am Freitag in seinem Plädoyer vor dem Landgericht Traunstein. Die Verteidiger plädierten auf eine Bewährungsstrafe.
Der Anklagevertreter hielt dem Fahrdienstleiter eine ganze Kette von Fehlentscheidungen bei der Arbeit im Stellwerk vor. So habe der 40-Jährige hintereinander mehrere Signale falsch gestellt. Als er den Fehler bemerkte, drückte er beim Bedienen des Notrufes auch noch die falsche Taste, der Alarm kam nicht in den Zügen an. Branz sprach von „kopflosem Verhalten“. Der Staatsanwalt: „Er regelte den Zugverkehr gedankenlos, man hat das Gefühl, nebenbei.“
Vor allem rügte Branz das verbotene Handyspielen des Angeklagten bis kurz vor dem Zusammenstoß der beiden Züge am 9. Februar: „Letztlich liegt hier der Grund für die Fehlhandlungen des Angeklagten.“ Er sprach von einer 72-prozentigen zeitlichen Überdeckung der Aktivitäten beim Handyspielen und den Handlungen bei der Arbeit.
Das Fehlen einer modernen Signaltechnik auf der Unglücksstrecke machte der Anklagevertreter nicht mitverantwortlich für den Zusammenstoß. Die Deutsche Bahn (DB) hätte den Abschnitt eigentlich schon 1984 nachrüsten müssen, wie sich im Prozess herausstellte.
Branz hielt dem Bahnmitarbeiter dessen Geständnis zugute: „Sein Leben hat sich am 9. Februar 2016 schlagartig verändert.“ Neben der moralischen Schuld kommen auf den verheirateten Mann immense Schadenersatzforderungen zu. Die Nebenklägervertreter schlossen sich den Ausführungen des Staatsanwalts im Wesentlichen an.
Der Fahrdienstleiter hatte gestanden, bis kurz vor dem Unglück das Fantasy-Rollenspiel „Dungeon Hunter5“ auf seinem Handy gespielt zu haben. Dabei geht es um das Töten von Dämonen. Die Vorschriften der DB verbieten die private Nutzung von Smartphones im Dienst. Bei dem Frontalzusammenstoß der beiden Züge auf eingleisiger Strecke starben zwölf Menschen, fast 90 wurden teils lebensgefährlich verletzt.
Die Verteidiger sahen die Handynutzung ihres Mandanten nicht so gravierend. Der Prozess habe nicht zweifelsfrei ergeben, dass das verbotene Spielen Ursache der Fehlerkette des Angeklagten ist, so Ulrike Thole und Thilo Pfordte übereinstimmend. Zudem halten sie es nicht für sicher, dass bei einem korrekt abgesetzten Notruf der Zusammenstoß noch verhindert worden wäre. Das Ausmaß der Verletzung von Sorgfaltspflichten sehen sie deshalb nicht so groß wie von der Staatsanwaltschaft vorgetragen. Gleichwohl bestehe kein Zweifel, dass der Fahrdienstleiter der fahrlässigen Tötung schuldig sei.
Die Verteidiger forderten eine Bewährungsstrafe für den Angeklagten. Wenn das Gericht dennoch eine Haftstrafe aussprechen wolle, halten die Verteidiger maximal zweieinhalb Jahre Gefängnis für angemessen. Die Höchststrafe bei fahrlässiger Tötung beträgt fünf Jahre. Pfordte erinnerte daran, dass es selbst bei noch schlimmeren Zugunglücken in Deutschland bisher immer nur Bewährungsstrafen gegeben habe. In seinem Schlusswort sagte der sichtlich erschütterte Fahrdienstleiter, er stehe noch immer unter dem Eindruck der Ereignisse. „Ich bin stark davon betroffen.“ Das Urteil wird an diesem Montag verkündet.