„Unter diesen Umständen“ Gazprom stellt Weiterbetrieb von Nord-Stream-Pipeline in Frage
Bereits vor regulären Wartungsarbeiten an der Pipeline Nord Stream ist in Deutschland vor einem drohenden Gas-Stopp gewarnt worden. Nun hat der russische Gaskonzern Gazprom den Weiterbetrieb in Frage gestellt.
Der russische Gaskonzern Gazprom hat den Weiterbetrieb der Pipeline Nord Stream 1 vor dem Hintergrund der Reparatur einer dafür notwendigen Turbine in Kanada in Frage gestellt. Gazprom habe bislang keine schriftliche Bestätigung, dass die reparierte Turbine aus Kanada dem für die Installation verantwortlichen Unternehmen Siemens tatsächlich geliefert werde, hieß es am Mittwoch in einer Erklärung des russischen Konzerns. „Unter diesen Umständen“ könne Gazprom den künftigen Betrieb der Leitung nicht garantieren.
Gazprom habe keines der Dokumente gesehen, die es „Siemens erlauben, die dort zur Reparatur weilende Gasturbine für die Kompressorstation „Portowaja“ aus Kanada herauszuholen“, teilte das Unternehmen am Mittwoch auf seinem Telegram-Kanal mit. Unter diesen Umständen könne der Konzern auch nicht prognostizieren, wie sicher der Weiterbetrieb der für Nord Stream 1 nötigen Kompressorstation sei, heißt es.
Unter Verweis auf die defekten Turbine hatte Russland die Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline bereits Mitte Juni stark gedrosselt. Die Turbine wurde daraufhin zur Reparatur in ein Siemens-Werk in Kanada gebracht. Wegen kanadischer Sanktionen gegen Russland war zunächst nicht klar, ob die Rücksendung des inzwischen reparierten Gerätes möglich ist.
Gas-Krise in Deutschland: Habeck warnte vor “Albtraum-Szenario“
Am Wochenende gab die Regierung in Ottawa jedoch grünes Licht für die Ausfuhr. Der Siemens-Konzern kündigte an, die Turbine so schnell wie möglich zu installieren. „Gazprom verfügt über kein einziges Dokument, das es Siemens erlaubt, den Gasturbinenmotor, der derzeit in Kanada repariert wird, aus dem Land zu holen“, erklärte der russische Konzern hingegen.
Am Montag hatten außerdem reguläre Wartungsarbeiten an der Nord-Stream-Pipeline begonnen, so dass nun erstmal kein Gas mehr fließt. Die Arbeiten sollen rund zehn Tage dauern. Es gab jedoch Zweifel daran, ob danach tatsächlich wieder Gas fließen würde.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuletzt vor einem „politischen Albtraum-Szenario“ gewarnt. Befürchtet wurde, dass Russland die Routine-Wartung der Pipeline als Vorwand nutzt, um die Gaslieferungen komplett einzustellen. Habeck riet, sich auf „das Schlimmste“ vorzubereiten.
Die Einspeicherung von Gas in Deutschland ist nach Beginn der geplanten Wartung fast zum Erliegen gekommen. Aktuell werde zwar netto noch weiter Gas eingespeichert, sagte ein Sprecher der Bundesnetzagentur am Mittwoch. „Aber das bewegt sich auf ganz niedrigem Niveau.“ Wie aus der Webseite von Europas Gasinfrastruktur-Betreiber (GIE) hervorgeht, stieg der Füllstand der deutschen Gasspeicher zuletzt nur noch um 0,09 Prozent am Tag.
Um eine Gasmangellage im Winter zu vermeiden ist Deutschland aktuell bemüht, seine Gasspeicher so schnell wie möglich zu füllen. Laut Gesetz sollen die Gasspeicher bis zum 1. Oktober zu 80 Prozent und bis zum 1. November zu 90 Prozent gefüllt sein. Aktuell ist Deutschland von diesem Ziel allerdings noch weit entfernt. Die Gasspeicher sind gerade einmal zu 64,6 Prozent gefüllt, wie Bundesnetzagentur berichtete. Sie korrigierte damit frühere Angaben, nach denen der Füllstand schon bei 64,9 Prozent lag.
Dass das Auffüllen der Gasspeicher aktuell kaum noch vorangeht, liegt zum großen Teil am Stop der russischen Lieferungen durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Durch die zuletzt wichtigste Route für russisches Erdgas nach Deutschland wird seit Montag wegen Wartungsarbeiten kein Gas mehr geliefert. Nach Angaben der Betreibergesellschaft sollen die Arbeiten bis zum 21. Juli dauern. In Deutschland gibt es die Sorge, dass die Pipeline nach den Wartungsarbeiten nicht wieder in Betrieb genommen wird und im Winter das Gas knapp wird.
Theoretisch könnten zwar andere Pipelines wie die Jamal-Pipeline oder auch die Ukraine-Route für den Transport russischen Gases nach Deutschland genutzt werden. Doch geschieht dies offenbar nicht. „Wir können heute so gut wie keine Gaslieferungen aus Russland feststellen“, sagte eine Sprecherin der Bundesnetzagentur am Mittwoch.