Belästigungsvorwürfe: Weißer Ring zieht Konsequenzen

Mutmaßliche sexuelle Belästigung im Beratungsgespräch: Der Weiße Ring will den Skandal in den eigenen Reihen schnell hinter sich lassen. Damit so etwas nicht mehr passiert, soll die Satzung geändert werden.

Der Weiße Ring sieht sich zahlreichen Belästigungsvorwürfen ausgesetzt. (Symbolfoto)

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Mainz. Als Reaktion auf die zahlreichen Belästigungsvorwürfe gegen einen Mitarbeiter der Opferhilfeorganisation Weißer Ring in Lübeck zieht der Bundesverband Konsequenzen. Zum einen stellt er Strafanzeige gegen den 73 Jahre alten ehemaligen Außenstellenleiter, der hilfesuchende Frauen bei der Beratung sexuell belästigt und genötigt haben soll. Zum anderen will der Bundesvorstand am Mittwoch über eine Satzungsänderung beraten, um künftig in einer solchen Situation früher reagieren zu können.

„Der Imageschaden für den Weißen Ring kann gar nicht ermessen werden“, sagte die Bundesvorsitzende Roswitha Müller-Piepenkötter am Montag in Mainz. Einen vergleichbaren Fall habe es noch nie seit der Gründung der Organisation 1976 gegeben. Der Verein ist Deutschlands größte Opferschutzorganisation. Mehr als 3000 ehrenamtliche Mitarbeiter helfen Opfern von Gewalt - darunter bis vor kurzem auch der pensionierte Polizeihauptkommissar.

Zuerst hatten die „Lübecker Nachrichten“ und das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ über die Strafanzeigen von zwei der mutmaßlichen Opfer gegen den Mann berichtet. Der Mitarbeiter soll die Frauen in Beratungsgesprächen sexuell belästigt und sich vor ihnen entblößt haben. Auch habe er ihnen empfohlen, als Prostituierte zu arbeiten.

Bisher haben sich nach Angaben des Weißen Rings zwölf Frauen gemeldet. Die Vorwürfe bezögen sich vor allem auf das Jahr 2016. Der Betroffene wies die Anschuldigungen am Wochenende im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur zurück. Er habe Anzeige wegen Verleumdung und übler Nachrede erstattet. Für den Weißen Ring habe er weit mehr als 1000 Fälle betreut. Seit Ende 2016 durfte er aber keine Opfer von sexueller Gewalt mehr beraten.

Nach Müller-Piepenkötters Ansicht reagierte der Landesverband Schleswig-Holstein zunächst „zögerlich und völlig unangemessen“. Ende 2016 habe es erste Hinweise gegeben, im Sommer 2017 weitere Vorwürfe. Der Bundesvorstand habe den Landesverband Mitte vergangenen Jahres dazu aufgefordert, den Mitarbeiter sofort abzuberufen. Das sei - obwohl es beim Weißen Ring so Grundsatz sei - nicht geschehen. Erst Ende vergangenen Jahres schied der Mitarbeiter aus.

Am Wochenende trat die Spitze des Landesverbandes zurück. Müller-Piepenkötter kündigte an, dass der Bundesvorstand nun in einer außerordentlichen Sitzung zusammenkomme. Es solle diskutiert werden, ob künftig auch an einem Landesverband vorbei gehandelt werden könne. Bisher sei es Aufgabe des Landesverbandes, bei solchen Vorwürfen gegen Mitarbeiter zu reagieren.

In den vergangenen zwei Jahren habe es beim Weißen Ring bundesweit drei Vorwürfe von sexueller Belästigung gegeben, bei denen die Mitarbeiter allerdings sofort suspendiert oder abberufen worden seien. Der nun bekanntgewordene Fall ist laut Müller-Piepenkötter ohne Beispiel.

„Ich bin wütend, ich bin wirklich wütend. Da kommen hilfesuchende Frauen und werden erneut geschädigt“, sagte die Bundesvorsitzende. Das sei unverzeihlich und erschütternd. „Ich schäme mich“, fügte sie hinzu. Was ihr Hoffnung gebe, sei die Tatsache, dass drei der Frauen, die den Mitarbeiter beschuldigen, sich von anderen Mitarbeitern der Organisation weiter beraten lassen. „Das Vertrauen in den Weißen Ring liegt noch nicht völlig am Boden.“

Auf die Frage, ob für eine Bewertung des Verhaltens des früheren Mitarbeiters nicht erst die juristischen Verfahren abgewartet werden müssten, antwortete Müller-Piepenkötter: „Wenn so viele Frauen unabhängig voneinander berichten, dann ist das auf jeden Fall ein unverständliches Verhalten.“ Der zurückgetretene schleswig-holsteinische Landesvorsitzende Uwe Döring hatte gesagt: Hätte er vom Umfang der Vorwürfe gewusst, hätte der Weiße Ring sich in einer halben Stunde von dem Mann getrennt.