Opferschutzbeauftrage in NRW ernannt: Der neue Blick der Justiz auf die Opfer
NRW ist das erste Flächenland mit einer Beauftragten für Opferschutz. Und die Personalentscheidung scheint ein echter Glücksfall zu sein.
Köln. Normalerweise hält Margarete Gräfin von Schwerin für Neuankömmlinge im Oberlandesgericht (OLG) Köln eine Willkommensmappe bereit, die das Zurechtfinden in dem eindrucksvollen Justizgebäude erleichtern soll. In diesem Fall konnte die OLG-Präsidentin die Mappe aber wieder zurückgehen lassen: Ende 2016 war Elisabeth Auchter-Mainz als Kölner Generalstaatsanwältin in den Ruhestand verabschiedet worden, am Freitag kehrte die 66-Jährige in neuer Funktion an die alte Wirkungsstätte zurück — als erste Opferschutzbeauftragte des Landes Nordrhein-Westfalen.
Es gehört zu den Gepflogenheiten einer höflichen Begrüßung, freundliche Worte zu finden. Insofern könnte man von Schwerins Satz „Wir freuen uns sehr, dass Sie wieder da sind“ noch als galante Floskel abtun. Aber positive Äußerungen zu ihrer Person haben Elisabeth Auchter-Mainz auffallend konstant durch ihr langes Berufsleben begleitet.
NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) spricht euphorisch von einer „Idealbesetzung“. Und wenn die so Gelobte den Raum betritt, dauert es nicht lange, bis ihre Mischung aus gelassener Zurücknahme und empathischer Zugewandtheit ins Auge fällt. Am vergangenen Dienstag wurde Auchter-Mainz vom Landeskabinett bestellt. Als Erstbesetzung der neuen Stelle könnte sie sich zu einem echten Glücksfall entwickeln.
Dabei ist man ja eigentlich verleitet, einer einstigen Staatsanwältin eine schon qua Aufgabe überdeutliche Fixierung auf die Täter zu unterstellen. Im Falle der heute 66-Jährigen führt diese Vermutung allerdings ins Leere.
„Zu jeder Straftat gehört ein Opfer“ — diese zunächst banal klingende Aussage hat Auchter-Mainz immer wieder beherzigt. „In meiner Aachener Zeit als Dezernentin für Sexualdelikte hatte ich sehr viele Kontakte zu Opfern und habe auch viele hilflose Opfer erlebt“, sagt sie. Intensive Kontakte zur Hilfsorganisation „Weißer Ring“ waren selbstverständlich, als Leiterin der Staatsanwaltschaft in Aachen initiierte sie zudem ein Sonderdezernat, das sich gezielt Verbrechen an Senioren widmet. „Ich habe immer versucht, auch die Opfer im Blick zu haben“, erzählt sie — und will jetzt nach dem Abschied von der Strafverfolgung umso entschiedener für die Perspektive der Opfer streiten.
Mit ihrer Stelle nimmt NRW eine bundesweite Vorreiterrolle ein. Nur Berlin verfügt noch über eine ähnliche Funktion, aber nicht mit dieser Personalausstattung und vergleichbaren Zuständigkeiten. Minister Biesenbach betont die völlige Unabhängigkeit der Beauftragten. Und formuliert die Erwartung, Auchter-Mainz möge auch die Arbeit der Landesregierung, der Ministerien, Staatsanwaltschaften und Gerichte kritisch begleiten.
Einen Ball, den die Juristin gerne aufgreift. Ansprechpartnerin und Lotsin für Opfer aller Art wolle sie zusammen mit ihren drei Mitarbeiterinnen sein. Auch an der Vernetzung unter den vielen Opferhilfeeinrichtungen soll gearbeitet werden. „Da gibt es noch Brüche, wo die eine Organisation nichts von der anderen weiß.“ Ja, und dann eben als dritter Schwerpunkt jene eingeforderte konstruktive und kritische Begleitung der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung, verbunden mit dem Anspruch, „Änderungsanregungen zu geben“.
Da scheint insbesondere im Justizapparat noch viel Handlungsbedarf zu bestehen. „Die Justiz hat viel zu lange nur auf die Täter geschaut und dabei die Opfer aus den Augen verloren“, kritisiert Biesenbach. Die Kölner Silvesternacht gilt ihm in der Hinsicht als Fanal. „Wir müssen aufpassen, dass das Vertrauen in den Rechtsstaat nicht verloren geht.“
Birgit Wunderlich hat damals an der bei der Gerichtshilfe angesiedelten Hotline für die Opfer der Silvesternacht gesessen. Jetzt zählt die Sozialarbeiterin ebenso zum Team der neuen Opferschutzbeauftragten wie die bisherige Bonner Staatsanwältin Ursula Pahlen-Claßen, die über besondere Erfahrungen mit Sexualdelikten verfügt.
Für Elisabeth Auchter-Mainz selbst endet mit der neuen Funktion ein knappes Jahr des Ruhestands. Warum sie sich noch mal auf eine neue Herausforderung eingelassen hat? „Weil es mich interessiert“, lautet die so lapidare wie bescheidene Antwort. Gut, ein paar Tage Bedenkzeit hatte sie sich nach der Anfrage aus Düsseldorf erbeten. Aber nach Justizmaßstäben ist dieser Entscheidungsprozess geradezu blitzschnell erfolgt. Für ihre künftige Aufgaben denkt die Opferschutzbeauftragte dagegen in längeren Zeiträumen: Ihr Arbeitsvertrag ist zunächst auf drei Jahre befristet.