Meinung NRW-Opferschutzbeauftragte - Mehr als eine Alibi-Funktion

Opfer waren aus Sicht der Justiz lange in erster Linie Beweismittel. Sie sollten bei ihrer Aussage vor Gericht möglichst ruhig und sachlich bleiben, bitte nicht weinen, schon gar nicht ausrasten oder sich etwa vor lauter Aufwühlung übergeben.

Foto: Sergej Lepke

Wo es allzu sehr menschelt oder zu emotional wird, ist die Justiz schnell irritiert und überfordert. Jedenfalls war sie es lange und ist es an vielen Stellen bis heute geblieben. Für Einzelne mag das nicht gelten, für den Apparat in Gänze gewiss.

Zwar haben sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Opferschutz, auch dank der Initiativen des Weißen Rings, über die Jahrzehnte schrittweise verbessert. Das Land NRW legte 2012 seinen ersten Opferschutzbericht vor. In den Polizeibehörden ist der Opferschutz inzwischen institutionalisiert, auch wenn meist nur ein bis zwei Beauftragte kaum in der Lage sind, jenseits besonders schwieriger Fälle Einzelbetreuung zu gewähren. Aber im Kern bleibt der Grundkonflikt bestehen: Ein Strafverfahren richtet sich gegen Beschuldigte und ist nicht für Opfer angelegt. Und es hat für diese in der Regel eher zur Folge, ihre Opferrolle zu bestätigen als zu überwinden.

Besonders krass zeigt sich das bei Sexual- und Beziehungsdelikten. Einerseits vertreten Anwälte nicht erst seit dem Fall Kachelmann die Ansicht, Unschuldsvermutung und Opferschutz schlössen sich aus. Andererseits sind bereits traumatisierte Opfer nach der Überwindung, überhaupt Strafanzeige zu stellen, immer wieder langwierigen und schwer belastenden Verfahren ausgesetzt.

In dieser komplexen Gemengelage hilfreich zu sein, verlangt hohe Sach- und Menschenkenntnis. Die neue NRW-Opferschutzbeauftragte Elisabeth Auchter-Mainz bringt beides mit: die Kompetenz und Durchsetzungskraft der erfahrenen Strafverfolgerin und den empathischen Blick auf das Leid der Opfer. Beste Voraussetzungen, aus ihrem Amt mehr zu machen als eine Alibi-Funktion.