Meinung Pannen bei Amri-Ermittlungen - Reuls Flucht nach vorne
Ohne den Vorfall bagatellisieren zu wollen: Nach einer Serie von Fehlern auf Seiten verschiedener Ermittlungsbehörden im Fall des islamistischen Attentäters Anis Amri taugt die Nachricht, dass in Nordrhein-Westfalen Fotos von dem Handy des Terroristen aufgrund einer fehlerhaften technischen Einstellung in der Software des LKA durchs Raster gefallen sind, nun auch nicht mehr zum Skandal.
Verhindern können hätten die Ermittler auch mit Kenntnis der fraglichen Aufnahmen, die Amri in Kampfpose mit einer erlaubnisfreien Schusswaffe zeigen, das verheerende Attentat auf dem Berliner Breitscheidplatz vor einem Jahr vermutlich nicht. Zum Zeitpunkt der Kontrolle in Berlin war Amri bereits als islamistischer Gefährder eingestuft und unterlag dem gesamten Programm polizeilicher Überwachungsmaßnahmen. Gebracht hat dies alles bekanntlich nichts.
Denn Amri gelang es trotzdem, vom Radar der Sicherheitsbehörden zu verschwinden — auch hätte das Bildmaterial kaum ausgereicht, um einen Haftbefehl gegen den Islamisten zu erwirken. Peinlich ist allerdings, dass die neuerliche Ermittlungspanne von Berliner Journalisten aufgedeckt wurde. Dass der NRW-Innenminister ob der neuen Erkenntnisse extra eine Pressekonferenz einberuft, mag seiner ehrlichen Bereitschaft zu einer transparenten Kommunikationspolitik in Sachen Amri geschuldet sein — es ist aber auch eine Flucht nach vorne. Denn in Berlin hatten Medienberichte hohe Wellen geschlagen, nach denen Akten manipuliert worden sein sollen, um Versäumnisse des LKA Berlin im Hinblick auf eine vereitelte Abschiebung Amris zu vertuschen. Vorwürfe, die auch die Politik in NRW sensibilisiert haben dürften.
Prophylaktisch geht Reul deshalb an die Öffentlichkeit — dabei ist die Nachricht nur ein Mosaikstein zum Gesamtbild behördlichen Versagens, das die Tragödie von Berlin erst ermöglicht hat. Mit der Aufarbeitung wird die Politik noch länger beschäftigt sein.