Wegweisendes Urteil im Fall Mladic

Reue kennt Ratko Mladic offenkundig nicht. „Lüge! Reine Lüge! Alles Lüge!“, schrie der Ex-General gestern bei der Urteilsverkündung in Den Haag. Dabei steht nach 530 Prozesstagen und fast 600 Zeugenaussagen zweifelsfrei fest: Mladic ist für die schlimmsten Kriegsverbrechen in Europa nach 1945 verantwortlich.

Rolf Eckers.

Foto: NN

Dass das UN-Tribunal ihn zu lebenslanger Haft verurteilt, ist ebenso wegweisend wie gerecht. Mladics Name wird vor allem für immer mit dem Massaker von Srebrenica in Verbindung bleiben, bei dem im Juli 1995 binnen weniger Tage unter seinem Oberbefehl etwa 8000 bosnische Muslime erschossen wurden.

Das ost-bosnische Srebrenica war vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen als UN-Schutzzone ausgewiesen worden. Faktisch konnte davon aber keine Rede sein. Es gab nur eine heillos überforderte und unterbewaffnete niederländische Blauhelmtruppe, die die Stadt den Angreifern unter Mladic kampflos überließ. Srebrenica ist nicht nur der Ort eines unfassbaren Verbrechens, sondern auch das Symbol für das vollständige Versagen der Weltgemeinschaft. In Europa findet mit Ansage ein Völkermord statt und es gibt nicht einmal im Ansatz Strukturen, dies zu verhindern. Umso wichtiger ist es, dass nicht nur Mladic, sondern auch sein politischer Chef, Serbenführer Radovan Karadzic, den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen muss.

Mit dem Mladic-Urteil endet zwar die Arbeit des UN-Tribunals, aber die juristische Aufarbeitung der Kriege im zerfallenden Jugoslawien ist noch längst nicht vorbei. Alle Seiten haben sich schuldig gemacht, immer noch sitzt der Hass tief, vielfach dominiert nationalistisches Denken. Unzählige Täter wurden nicht belangt. Hier ist die EU gefordert. In ihrem Mitgliedsstaat Kroatien und den Beitrittskandidaten Serbien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo muss die Gemeinschaft darauf achten, dass das Urteil von Den Haag Ansporn ist, alle Kriegsverbrechen aufzuklären.