Meinung Der Fall Oury Jalloh: Ein verheerender Eindruck des Rechtsstaats

Vertrauen in den Rechtsstaat ist nicht nur eine Frage objektiver juristischer Bewertung. Es wird auch von dem Eindruck geprägt, den dieser Rechtsstaat hinterlässt. Und der ist im Falle Oury Jalloh verheerend.

Foto: Sergej Lepke

Die Staatsanwaltschaft Dessau, seit zwölf Jahren mit dem Tod des in einer Polizeizelle verbrannten Asylbewerbers befasst, kommt entgegen ihrer langjährigen Überzeugung im Frühjahr dieses Jahres zu dem Schluss, es bestehe ein begründeter Mordverdacht. Der Generalbundesanwalt lehnt aber die Annahme des Falls ab und gibt ihn zurück nach Sachsen-Anhalt.

Dort entscheidet die Generalstaatsanwaltschaft Naumburg im August, der Staatsanwaltschaft Dessau den Fall zu entziehen und ihn der Ermittlungsbehörde Halle zu übertragen. Offizielle Begründung: „die dienstliche Belastung der Mitarbeiter der Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau“. Und die Staatsanwaltschaft Halle gelangt in nur zwei Monaten zu der Einschätzung, der komplexe und widersprüchliche Fall sei einzustellen.

Alles juristisch einwandfrei? Alles ganz normal, dass da zwei Staatsanwaltschaften zu völlig unterschiedlichen Bewertungen kommen? Alles halb so schlimm, weil die Akten ja womöglich noch mal zur Generalstaatsanwaltschaft gehen, die dann die unterschiedlichen Auffassungen zu prüfen hat?

Nein, doppelt so schlimm — wenn man der Lesart folgt, die dieser Ablauf auch nahelegen kann: dass an einer wirklichen Aufklärung in Sachsen-Anhalt kein staatliches Interesse besteht. Die vielen Fragen, die der Fall aufwirft, verursachen umso mehr Bauchschmerzen, je mehr man sich vergegenwärtigt, was alles an dem Todesfall des Asylbewerbers aus Sierra Leone noch ungeklärt ist. Und diese Bauchschmerzen werden nicht geringer dadurch, dass die Staatsanwaltschaft Halle erklärt, die vom ARD-Magazin „Monitor“ präsentierten Einschätzungen von Sachverständigen seien nicht neu gewesen und in die Entscheidung der Verfahrenseinstellung eingeflossen. Genau das ist ja gerade das Beunruhigende.

Dass die Linke in Magdeburg einen Sonderermittler fordert, der nicht aus Sachsen-Anhalt kommt, mag ihrer Oppositionsrolle geschuldet sein. Dass diese Forderung plausibel klingt, hat sich der Rechtsstaat dort selbst zuzuschreiben. Im Fall Jalloh tut er jedenfalls derzeit nichts dafür, das Misstrauen zu entkräften.