Bergsteiger und Forscher - Heinrich Harrer wäre 100
Wien (dpa) - Die Bewunderung und Verehrung für Heinrich Harrer litt selbst dann nicht, als politisch braune Flecken aus seiner Vergangenheit bekanntwurden. Als Sportler, Entdecker und Freund des Dalai Lama genoss Harrer bis zu seinem Tod weltweiten Ruhm.
Vor sechs Jahren starb der Asien-Reisende und Schriftsteller Heinrich Harrer. Zu seiner Beerdigung im Januar 2006 würdigte ihn der damalige österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. Einige kritische Worte sprach nur Reinhold Messner. Am 6. Juli wäre Harrer 100 Jahre alt geworden.
Wenig deute anfangs auf eine derartige Karriere als Forscher und Autor hin. Harrer wurde als Sohn eines Postbeamten 1912 in Hüttenberg in Kärnten geboren. Zunächst will er Sportlehrer werden, verdient sein Geld dann aber als Bergführer und Skilehrer. 1936 wird er sogar in die Ski-Olympiamannschaft berufen.
Seine erste Berühmtheit erlangt Harrer bereits mit 26 Jahren. 1938 gehört er zu den vier Bergsteigern, die als erste die fast 2000 Meter hohe Eiger Nordwand besteigen. Nach der Rückkehr von der Eiger-Tour wird Harrer von Adolf Hitler empfangen. Erst Jahrzehnte später wird bekannt, dass er schon 1933 in Österreich in die verbotene SA und 1938 in die NSDAP und SS eingetreten ist.
1939 gehört der Abenteurer zur deutsch-österreichischen Himalaya-Expedition in Indien. Nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wird die Gruppe, zu der Harrer gehört, auf dem Rückweg von den Engländern interniert. Der fünfte Ausbruchversuch gelingt. In 21 Monaten überwindet er teilweise mit Begleitern mehr als 2000 Kilometer und 31 Bergpässe.
Schließlich erreicht Harrer Lhasa, die heilige und für Ausländer gesperrte Hauptstadt des damals noch unabhängigen Tibet. Dort avanciert er zum Lehrer des elfjährigen Dalai Lama, des geistlichen und weltlichen Oberhauptes der Tibeter. Über diese Zeit schreibt Harrer später sein bekanntestes Buch: „Sieben Jahre in Tibet“. Der Weltbestseller wird in 48 Sprachen und 1997 mit dem Hollywood-Star Brad Pitt in der Hauptrolle verfilmt.
In den nächsten Jahrzehnten absolviert der Bergsteiger mehr als 20 Expeditionen, schreibt zahlreiche Bücher, dreht 40 Dokumentarfilme und baut eine große Asiatica-Sammlung auf.
Auf dem Höhepunkt seines Ruhms kommt das dunkle Kapitel aus Harrers Jugend wieder hoch. Als der Hollywood-Film in die Kinos kommt, muss er seine Mitgliedschaft in den Nazi-Organisationen eingestehen, sagt jedoch, er sei aus opportunistischen Gründen eingetreten und nur passiv geblieben.
Nach Harrers Tod meint der Extrembergsteiger Reinhold Messner, er bewundere zwar dessen „Sinn für wirkliches Abenteuer“. Harrer habe aber „bis zum Schluss einen Wertekatalog“ gehabt, „den ich nicht teile“. Er habe „nicht hinterfragt, welche Werte von den Nazis in den 30er Jahren hochgehalten wurden“.
Die enge Freundschaft zwischen dem Dalai Lama und Harrer hält trotzdem. Der Dalai Lama besucht ihn zuletzt zu seinem 90. Geburtstag in Kärnten. Harrer stirbt mit 93 Jahren. Nach seiner Beerdigung legen Freunde einen Steinbrocken aus der Eiger-Nordwand auf sein Grab.