Berliner U-Bahn-Schläger entsetzt über Tat

Berlin (dpa) - Erst prügelt ein Schüler sein Opfer in einem U-Bahnhof bis zur Bewusstlosigkeit, Monate später zeigt er sich nun über die brutale Attacke tief beschämt. Zum Prozessauftakt vor dem Berliner Landgericht gab sich der 18-jährige Gymnasiast erschüttert.

„Meine Tat ist eine Schweinerei und durch nichts zu entschuldigen“, sagte er am Dienstag in einer persönlichen Erklärung. Genau erinnern könne er sich aber an die Tritte und Schläge gegen sein zufällig ausgewähltes Opfer nicht, denn er sei betrunken gewesen. „Ich bin schockiert und entsetzt über mich selbst.“

Überwachungskameras hatten die Attacke vor vier Monaten im Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße aufgenommen. Bundesweit lösten die Bilder damals Entsetzen aus. Das Opfer kann sich an den Angriff nach eigenen Worten nicht erinnern.

Dem Angeklagten werden versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Mitangeklagt ist ein ebenfalls 18 Jahre alter Freund des Schülers. Auch er sagte, dass es ihm leidtue. Das Opfer - ein 30 Jahre alter Gas-Wasserinstallateur - lag bereits reglos am Boden, als ihn vier heftige Tritte am Kopf trafen. Er verlor vorübergehend das Bewusstsein und kam mit einem Schädel-Hirn-Trauma, gebrochener Nase und Prellungen ins Krankenhaus.

Der Gewaltexzess hatte eine neue Debatte über den Umgang mit jugendlichen Gewalttätern ausgelöst. Dass der Gymnasiast von der Untersuchungshaft verschont und nicht wegen versuchten Mordes angeklagt wurde, war öffentlich kritisiert worden.

„Zur Tat kann ich leider gar nichts sagen“, erklärte das Opfer. Er wisse noch, dass er vor der Attacke mit Freunden Dart gespielt und gewonnen habe, danach sei er zum U-Bahnhof gegangen sei. Stark betrunken will er nicht gewesen sein. Dass er in dem U-Bahnhof von dem Schüler bewusstlos geprügelt wurde, daran könne er sich nicht mehr erinnern. Erst das Aufwachen im Krankenhaus sei ihm bewusst.

Noch heute leidet der 30-Jährige nach eigenen Worten unter Schlafstörungen als Folgen des Angriffs. Der Mann tritt als Nebenkläger auf. Eine Entschuldigung und Schmerzensgeld lehnt er nach Angaben seiner Anwältin als „prozesstaktisches Manöver“ ab.

Der Angreifer war auf dem Heimweg von einer Party, als er auf den Handwerker traf. Es gab einen Wortwechsel, „dann kam der Mann auf mich zu“, sagte der Schüler. Der Mann habe ihn am Kragen gepackt. In einer Überreaktion habe er mit einer Plastikflasche zugeschlagen. „Ich hatte ein Gefühl der Angst und die Vorstellung, mich verteidigen zu müssen“, las der Gymnasiast aus seiner persönlichen Erklärung vor.

Ansonsten berief sich der junge Mann immer wieder auf Erinnerungslücken. Denn er habe in der Nacht zum Ostersamstag viel Alkohol getrunken. Der Täter war nach der Attacke zunächst geflüchtet, stellte sich aber wenige Stunden später der Polizei.

Ein 22 Jahre alter Maler und Lackierer aus dem bayerischen Hirnheim hatte in jener Nacht Schlimmeres verhindert. Er ging dazwischen und zog den Schläger weg. Laut Anklage wurde der Bayer selbst von dem 18-Jährigen sowie dessen Freund geschlagen und getreten. Dieser Kumpan muss sich im Prozess wegen gefährlicher Körperverletzung sowie unterlassener Hilfeleistung verantworten. Er soll nichts gegen die Tritte unternommen haben. Der couragierte Mann, der für sein Eingreifen öffentlich geehrt wurde, soll am Donnerstag als Zeuge gehört werden.

Der Vorsitzende Richter Uwe Nötzel hielt dem angeklagten Gymnasiasten vor, dass er zwar eine fast minutiöse Beschreibung der Zeit vor der Tat abgeliefert habe. „Und ausgerechnet die Momente der Tat sind merkwürdig verschwommen.“ Immer wieder fragte Nötzel nach, warum der Schüler so wütend geworden sei. Anders als bei den polizeilichen Vernehmungen sagte der Angeklagte, er sei nicht in aggressiver Stimmung gewesen.