Der große Loriot ist tot
Ammerland/Berlin (dpa) - Loriot hatte ein großes Ziel: Er wollte beweisen, dass die Deutschen wie alle anderen Nationen auch Humor haben. Damit wurde er zu einem der populärsten Deutschen.
Was Karl Valentin und Kurt Tucholsky vor ihm waren, war Loriot - bürgerlich Vicco von Bülow - in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, manche nannten ihn auch ein „Gesamtkunstwerk“ - nach seinem Tod fällt das Wort „Universalgenie“. Der große Loriot starb am Montag im Alter von 87 Jahren in Ammerland am Starnberger See.
Bernhard Victor Christoph Carl von Bülow war ein geborener Preuße, der die Ordnung liebte und gleichzeitig ein Leben lang mit dem Alltagswahnsinn und dem Chaos ein Verhältnis hatte. „Ich liebe die Ordnung, weil es ungeheuer reizvoll ist, sie zu unterlaufen“, sagte er.
Loriot schrieb legendäre Männer-Frauen-Dialoge, obwohl er ja der Ansicht war, „Männer und Frauen passen eigentlich nicht zusammen“. Und er schuf den vielleicht bekanntesten Rentner und Lottomillionär der Fernsehgeschichte: Erwin Lindemann (gespielt von Heinz Meier), der „seit 66 Jahren“ Rentner ist und mit seiner Tochter und dem Papst in Wuppertal eine Herrenboutique eröffnen will. Auch der Streit ums hartgekochte Frühstücksei mit dem Schlusssatz „Morgen bringe ich sie um!“ ist TV-Kult geworden - von „Wum und Wendelin“ und Weihnachten bei Hoppenstedts ganz zu schweigen.
In die Fernsehgeschichte ist längst auch das sagenhafte Badewannen-Duell um eine Gummi-Ente mit den beiden knollennasigen Akademikern Dr. Klöbner und Müller-Lüdenscheidt eingegangen. Und Sprüche aus Loriot-Sketchen wie „Früher war mehr Lametta“, „Der Hund kann ja gar nicht sprechen!“ und das knappe und doch alles umfassende „Ach was!?“ sind längst zu geflügelten Worten in der deutschen Umgangssprache geworden.
Denn Komik hatte für Loriot mit Irrtum im Alltag zu tun - oder mit grotesken Missverständnissen. Damit wurde von Bülow so etwas wie Deutschlands komischste Figur. „Große Kunst ist ja zumeist ein Kind des Wahnsinns“, wie Loriot in einem Interview einmal sagte. Dabei hat ihn das Absurde nach eigenen Aussagen nie interessiert, sondern „Alltagssituationen ohne Schuldzuweisungen ins Ausweglose erweitert“.
Der am 12. November 1923 in Brandenburg an der Havel geborene, in Berlin aufgewachsene und in Stuttgart aufs Gymnasium gewechselte Vicco von Bülow verlor früh seine Mutter und war von Hause aus ein pedantischer Bildungsbürger. Als Spross einer Offiziersfamilie konnte er sich über seine eigene Gesellschaftsschicht lustig machen - nicht gerade eine typisch deutsche Eigenschaft. Vicco von Bülow nahm als Soldat am Russlandfeldzug teil, denn seine Offizierslaufbahn war in seiner Familie fest eingeplant. „Wenn wir den Krieg gewonnen hätten, nicht auszudenken, was aus mir geworden wäre“, sagte er dazu einmal.
Trotz aller Popularität hat es Vicco von Bülow, der seinen Künstlernamen Loriot nach der französischen Bezeichnung für das Wappentier der Bülows (den Pirol) wählte, auch immer gewurmt, dass die Deutschen Komiker und Humoristen auf ihrer Werteskala doch ziemlich weit unten ansiedeln. „Der Tragöde ist ganz oben.“
Selbst als Filmregisseur brachte es Loriot zu Lorbeeren und Ruhm. Sein Kinodebüt „Ödipussi“ - zum Teil im Berliner Wohnviertel seiner Kindheit in Berlin-Wilmersdorf gedreht - war 1988 ein Riesenerfolg und wurde am selben Abend in Ost- und West-Berlin in der damals noch geteilten Stadt uraufgeführt. Danach drehte er noch „Pappa ante portas“.
Seine große Liebe aber gehörte der Musik, vor allem der Oper und hier Richard Wagner. Sogar als Regisseur trat er hier in Erscheinung wie bei Webers „Freischütz“. Einmal wenigstens durfte er - wenn auch als humoristischer Auftritt - am Pult Herbert von Karajans die Berliner Philharmoniker „dirigieren“.
In den vergangenen Jahren hatte sich Loriot aus der Öffentlichkeit zurückgezogen, das Alter forderte sein Recht. „Mein Vater wird schwächer“, hatte seine Tochter Susanne von Bülow im April 2011 gesagt. Zu seinem 85. Geburtstag im Jahr 2008 war im Berliner Film- und Fernsehmuseum am Potsdamer Platz die bis dahin umfassendste Loriot-Ausstellung zu sehen. Man sah ihn zuletzt kaum noch mit einem seiner Möpse („Ein Leben ohne Möpse ist möglich, aber sinnlos“) am Starnberger See oder um den Berliner Savignyplatz spazieren gehen. Die Augen machten nicht mehr mit.
Auf die Frage der Wochenzeitung „Die Zeit“, ob er das Gefühl verspüre, „dass man gehen soll, wenn es am schönsten ist“, antwortete Vicco von Bülow in preußisch knapper Manier: „Ja“. Auf die Frage, ob es ein schönes Leben sei, „wenn man Loriot ist“, gab es eine typische Loriot-Antwort: „Das kann man mit einem Wort nicht beantworten. Nur mit Ja und mit Nein.“