Besser als Woodstock? Das Weltkulturfestival in Indien

Neu Delhi (dpa) - Ein Singsang steigt aus der Mitte der Hunderttausenden am Ufer des indischen Flusses Yamuna herauf. „Om Namah Shivaya“, erklingt es, erst aus wenigen Kehlen, dann stimmen immer mehr Menschen mit ein.

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Das Mantra umschlingt die Besucher des Weltkulturfestivals und macht alle zu Brüdern und Schwestern.

Inder und Pakistaner, Japaner und Russen, Deutsche und Kolumbianer auf dem vier Quadratkilometer großen Gelände sind vereint. „Lasst und Frieden und Harmonie schaffen“, sagt der indische Guru Sri Sri Ravi Shankar zu ihnen. Zusammen mit Menschen aus 155 Ländern feiert seine Organisation Art of Living an diesem Wochenende ihren 35. Geburtstag, mit Musik, Tänzen, gemeinsamer Meditation und interreligiösen Zusammentreffen. „Vasudhaiva Kutumbakam“, sagt Shankar, ein Satz in der historischen Priestersprache Sanskrit, der „Die Welt ist eine Familie“ bedeutet.

Die Deutsche Mira Fels war schon vor fünf Jahren dabei, als Ravi Shankar im Berliner Olympiastadion den Geburtstag seiner Organisation zelebrierte. Damals kamen rund 25 000 Menschen. „Das hier ist ein bisschen sehr viel größer“, sagt die 35-Jährige staunend. 3,5 Millionen Menschen erwartete die Organisation - es soll das größte Kulturfestival der Welt sein.

Fels will sich bei einer gleichzeitigen Konferenz auch Vorträge von Spitzenkräften aus Politik und Wirtschaft anhören, die sich für den Frieden einsetzen. „Die Menschen bekriegen sich überall auf der Welt, weil sie keinen inneren Frieden in sich tragen“, sagt Fels. Ravi Shankar will den Menschen mit Meditations- und Atemtechniken helfen, Stress abzubauen, und dadurch den Weltfrieden herstellen.

Doch die hinduistische Göttin Yamuna des gleichnamigen Flusses, auf dessen Sandbänken in der Hauptstadt Neu Delhi das Festivalgelände errichtet wurde, konnte anscheinend nicht beschwichtigt werden. Zum Start öffneten sich alle Schleusen der Himmelstore; Regen und Graupel prasselten auf die Besucher nieder, bis diese sich unter Stühlen und Plakaten versteckten.

Einige Umweltschützer verwunderte das womöglich nicht. Sie hatten im Vorfeld beklagt, die Flora und Fauna der Flussaue sei beim Planieren zerstört worden. „Der Platz ist direkt neben dem Okhla Vogelschutzgebiet“, beschwert sich etwa der Naturfotograf Anand Arya. Er reichte eine Petition ein, um das Festival zu stoppen.

Das zuständige Umwelttribunal erklärte, durch die Errichtung von Straßen, Rampen, Bühnen und Brücken in der Schutzzone sei die Vegetation zerstört worden. Aufgehalten haben die Richter das Festival deshalb zwar nicht mehr, sie verhängten aber Strafen gegen die Stiftung Art of Living sowie mehrere Behörden, weil sie nicht angemessen gehandelt hatten. Weitere Auflage: Nach dem Ende des Festivals muss das Gelände zum Biodiversitätspark werden.

Ob das geschehen wird, ist aber zumindest fraglich. Denn der Fluss ist ohnehin seit Jahren quasi tot, da die Abwässer aus Neu Delhi fast ungeklärt eingeleitet werden. Außerdem sagt Ravi Shankar, seine Arbeiter hätten nicht einen einzigen Baum gefällt, sondern höchstens vier Bäume gestutzt. „Wir werden die Umwelt nie beschädigen“, behauptet er.

Günter Conrad, ein Unternehmensberater aus Frankfurt, versteht diese ganze Aufregung um den Veranstaltungsort nicht. Bei einem ähnlichen Festival vor zehn Jahren im südindischen Bangalore sei alles sauberer verlassen worden als zuvor. Dann schaut er wieder über die bunte Menschenmenge, die durch den Schlamm stapft. Und sagt entzückt: „Woodstock ist nichts dagegen.“