Betrug an Senioren: „Vertrauen wird stark erschüttert“

Für viele Betrugsopfer ist die soziale Isolation schlimmer als der finanzielle Verlust, sagt Karla Mertins vom „Weißen Ring“.

Foto: Daniel Reinhardt

Hamburg. Im Visier von Betrügern sind vor allem ältere Menschen — das zeigt auch der jüngste Schlag gegen eine Bande von „Enkeltrick“-Betrügern. Mehr als eine Million Euro soll die Betrüger-Gruppe um drei in Polen geschnappte mutmaßliche Haupttäter mit der Masche ergaunert haben. Für die Opfer von Betrügereien sind die psychischen Belastungen nach Ansicht einer Expertin oft schlimmer als die finanziellen Verluste. Viele verließen das Haus nicht mehr oder mieden den Kontakt zu Angehörigen, sagte Karla Mertins (Foto: dpa) von der Opferhilfe-Organisation Weißer Ring im Interview.

Frau Mertins, Ihre Organisation verzeichnet jeden Monat Dutzende Betrugsfälle, etwa in Form des Enkeltricks. Warum sind gerade ältere Menschen so anfällig?

Karla Mertins: Das Problem ist, dass viele ältere Menschen nicht mehr sonderlich fit auf den Beinen sind. Deshalb gehen sie zu Beginn des Monats einmal zur Bank, heben ihre gesamte Rente ab und deponieren sie zu Hause, quasi unter dem Kopfkissen. Das macht sie natürlich angreifbar. Dazu glaubt ein Großteil von ihnen: „So etwas kann mir nicht passieren.“ Und dann ist das Geld weg. Aber das ist nicht das eigentlich Schlimme daran.

Was kann schlimmer sein als der finanzielle Verlust?

Mertins: Viele der Opfer verfallen nicht selten in einen Zustand sozialer Isolation — sie verlassen das Haus nicht mehr oder vermeiden den Kontakt zu Angehörigen, weil sie sich schämen, den Betrügern auf den Leim gegangen zu sein. Viele würden lieber hungern, als ihren Verwandten gegenüber ihre durch den Betrug entstandene finanzielle Notlage zu schildern. Das Vertrauen in die Gesellschaft wird durch einen solchen Vorfall stark erschüttert.

Wer kümmert sich nach einem solchen Vorfall um die Betrugsopfer?

Mertins: Die Polizisten leisten in der Regel nach der Aufgabe der Anzeige nur eine emotionale Erstversorgung. Anschließend wird die Außenstelle des Weißen Rings von der Polizei benachrichtigt. Wir nehmen dann Kontakt auf, vereinbaren ein Treffen und versuchen, das zerstörte Vertrauen wieder aufzubauen. Dabei hilft es, den Betroffenen vor Augen zu führen, dass sie als Betrugsopfer nicht alleine dastehen, dass so etwas jedem passieren kann.