Maisanbau schuld Biologe beklagt Verschwinden der Schmetterlinge
Hamburg/Berlin (dpa) - Die Zahl der Schmetterlinge und Feldvögel geht an vielen Orten Deutschlands stark zurück. Experten haben dazu dramatische Daten vorgelegt.
Seit Anfang der 80er Jahre sei die Häufigkeit nachtaktiver Schmetterlinge an untersuchten Stellen im bayerischen Inntal um die Hälfte und die Anzahl der Arten um mehr als die Hälfte gesunken, sagte der Biologe Josef Reichholf am Montag in Hamburg. Bundesweite Zahlen zum Rückgang der Schmetterlinge gibt es allerdings keine. Eine von den Grünen in Auftrag gegebene Studie sieht in der industriellen Landwirtschaft einen Hauptgrund für den Rückgang der Kiebitze, Rebhühner und weiterer Vogelarten.
Reichholf erstellte im Auftrag der Deutschen Wildtier Stiftung einen Bericht, nach dem die Schmetterlinge vor allem auf landwirtschaftlichen Gebieten zurückgehen. Der Professor bestimmt seit 1969 die Häufigkeit der nachtaktiven Falter in seiner niederbayrischen Heimat. Auf Äckern nahe dem Dorf Aigen am Inn zählte er nur etwa ein Drittel so viele Schmetterlinge wie am Rande der Münchner Innenstadt. Auch in Wäldern sei der Rückgang der Schmetterlingsarten und -exemplare nicht so dramatisch.
Auf Feldern und Wiesen hingegen findet Reichholf dagegen nur noch selten Bläulinge, Große Ochsenaugen, Totenkopfschwärmer oder Mittlere Weinschwärmer. Der Kleine Feuerfalter oder der Schachbrettfalter seien bereits verschwunden. Die Schmetterlinge haben nach Angaben von Reichholf eine wichtige Funktion bei der Bestäubung bestimmter Pflanzen und sind eine bedeutende Nahrungsquelle für Vögel. Viele stehen auf der Roten Liste der bedrohten Tierarten.
Ursache für das Verschwinden der Schmetterlinge sind nach Reichholfs Ansicht vor allem der starke Maisanbau in Monokultur und die Überdüngung der Felder. Konkurrenzschwache Pflanzenarten, auf die die Schmetterlinge angewiesen seien, hätten keine Chance mehr. Der Lebensraum für die Falter schwinde, auch durch das häufige Mähen von Wiesen. „Da wird genau zur ungünstigsten Zeit nahezu Tabula rasa gemacht“, kritisierte Reichholf.
Der Direktor des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn, Wolfgang Wägele, beklagte wie Reichholf, dass es in Deutschland keine systematische Forschung zur Veränderung der Artenvielfalt gibt. Nach Ansicht des Bonner Zoologen sind die Ursachen für das Verschwinden der Schmetterlinge komplex. Wägele kritisiert das „Aufräumen der Landschaft“ und die Überdüngung der Wiesen.
Thomas Schmitt vom Senckenberg Deutschen Entomologischen Institut (SDEI) in Müncheberg bei Berlin beobachtet den Rückgang der Schmetterlinge ebenfalls seit längerem, etwa im Moseltal, bei Düsseldorf oder in der Lüneburger Heide: „Wir gehen davon aus, dass bundesweit überall tendenziell dasselbe passiert, allerdings mit regionalen Unterschieden“, sagte er bereits im vergangenem Jahr.
Mit den Schmetterlingen schwinden auch Vögel. Der zunehmende Einsatz von Pestiziden und Dünger entziehe typischen Feldarten wie Kiebitz und Rebhuhn die Nahrungsgrundlage, heißt es in einer Studie des Forschungsinstituts für Ökosystemanalyse und -bewertung im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion. Er töte Insekten wie Bienen, Fliegen oder Schmetterlinge. Gleichzeitig verringerten sich die Brutmöglichkeiten, weil Wiesen, Moore und Feuchtgebiete entwässert und zu Äckern umfunktioniert würden.
Den Autoren zufolge stehen unter anderem deshalb inzwischen 80 Prozent aller Feldvogelarten auf der Roten Liste der Brutvögel Deutschlands. Ihr Bestand gilt damit als gefährdet. Allein beim Kiebitz ist die Zahl der in Deutschland vorkommenden Brutpaare innerhalb von 20 Jahren deutlich eingebrochen. 1991 brüteten der Studie zufolge in Deutschland noch nahezu 300 000 Paare. Inzwischen schätzen Forscher die Zahl auf höchstens 100 000. Noch dramatischer ist die Situation beim Rebhuhn. In manchen Bundesländern sei der Bestand seit 1980 um bis zu 90 Prozent zurückgegangen. Bundeweit habe sich die Zahl der Brutpaare im selben Zeitraum mindestens halbiert.
Neben der Intensivierung der Landwirtschaft gebe es weitere Gründe für den Vogelschwund wie der Siedlungs- und Straßenbau und in manchen europäischen Ländern auch die nach wie vor erlaubte Jagd auf Kiebitze. Diese Faktoren spielten aber eine untergeordnete Rolle.
Das Problem sei nicht die erhöhte Sterblichkeit von erwachsenen Tieren, sondern der ausbleibende Bruterfolg. Außer der Nutzung von Pestiziden sei dafür auch der Verlust von Weideland und der erhöhte Einsatz von Maschinen verantwortlich. „Feldvögel verschwinden, weil wir ihre Schutzräume platt machen und die exportorientierte Landwirtschaft immer mehr Platz braucht“, sagte die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katrin Göring-Eckardt mit.