Bluttransfusionen: Kliniken müssen Blut sparen
Konserven sind ein knappes Gut — und sie haben Nebenwirkungen. Vier Krankenhäuser wollen daher bei Operationen ihren Bedarf senken.
Münster. Im Operationssaal 11 im Zentralgebäude des Universitätsklinikums Münster (UKM) steht eine Herz-Operation auf dem Plan. Der Brustkorb des Patienten ist geöffnet, sieben Ärzte und Schwestern sind konzentriert bei der Arbeit. An einem Ständer hängt eine Blutkonserve. Tropfen für Tropfen fließt die rote Flüssigkeit durch einen Schlauch zum Patienten. Es ist die fünfte Bluttransfusion seit Beginn der Operation.
Bluttransfusionen retten Leben. Doch ähnlich wie ein Medikament haben auch Bluttransfusionen Nebenwirkungen. „Es gibt seit den 90er Jahren eine Reihe von Studien, die gezeigt haben, dass viel Transfundieren nicht viel hilft“, sagt Georg Geißler, Arzt am Institut für Transfusionsmedizin des UKM. Die Forscher hätten ein erhöhtes Sterberisiko, ein höheres Risiko für Folgeerkrankungen und einen längeren Aufenthalt im Krankenhaus nach einer Transfusion beobachtet.
„Wenn man eine Blutkonserve gezielt einsetzt, ist diese für den Patienten gewinnbringend“, sagt UKM-Anästhesistin Andrea Steinbicker. „Aber man sollte nicht einfach so Blutkonserven geben, denn das Immunsystem des Empfängers reagiert darauf.“ Dazu kommt: Blutkonserven sind ein knappes Gut. „Wir werden immer älter und ältere Menschen werden zudem immer häufiger operiert“, sagt Geißler. „Dadurch steigt der Bedarf.“
Um die Zahl der benötigten Bluttransfusionen zu reduzieren, haben die Unikliniken Münster, Bonn, Frankfurt und Schleswig-Holstein als Vorreiter ein Blut-Management-Programm gestartet. Insgesamt enthält das Konzept etwa 20 Einzelmaßnahmen. Die beginnen bei der Vorbereitung auf eine OP. Etwa vier Wochen vor dem Eingriff wird untersucht, ob der Patient an einer Blutarmut leidet.
„Blutarmut heißt, dass der Patient zu wenig roten Blutfarbstoff hat“, sagt Geißler. „Damit fehlt es an Transportkapazität für Sauerstoff.“ Sinkt die Zahl der roten Blutkörperchen während der Operation noch weiter, ist eine Bluttransfusion nötig. Um das zu verhindern, erhält der Patient vorsorglich Eisen, das die Produktion von roten Blutkörperchen stimulieren soll. Erst wenn die Blutarmut behoben ist, wird operiert.
Während der Operation soll der Blutverlust so gering wie möglich gehalten werden. Während des Eingriffs schneidet der Arzt mit dem Skalpell möglichst Blut sparend oder legt wenn möglich eine Blutsperre an, um die Blutzufuhr zum operierten Körperteil zu verringern. Das Blut, das der Patient dennoch verliert, wird gesammelt, gefiltert und ihm zurückgegeben.
Außerdem muss die Gabe jeder Blutkonserve schriftlich begründet werden. „Das erhöht zwar den bürokratischen Aufwand, aber es verhindert, dass eine Transfusion leichtfertig gegeben wird“, sagt Steinbicker. Nach der Operation werden Körpertemperatur und Sauerstoffgehalt des Blutes genau überwacht — auch das reduziert den Bedarf an Blutkonserven.
Keine der Maßnahmen ist für sich genommen neu. Doch der Einbau in den Klinikalltag ist eine organisatorische Mammutaufgabe. Alleine am UKM wird jeden Tag zeitgleich in 36 Operationssälen operiert, 135 Anästhesisten sind im Schichtdienst im Einsatz. Nicht jede Maßnahme des Blut-Managements ist für jeden Patienten geeignet. So ist es nicht bei jeder Operation möglich, dem Körper das verlorene Blut zurückzugeben. „Wenn eine Maßnahme nicht anwendbar ist, können wir aber immer noch die anderen umsetzen“, sagt Anästhesistin Steinbicker. Dies sei eine Stärke des Konzepts.
Das Blut-Management wird zunächst an den vier Unikliniken getestet. Das Deutsche Rote Kreuz (DRK) unterstützt das Programm, warnt aber auch vor zu großen Schwankungen bei der Blut-Nachfrage. „Wenn wir den Bedarf jetzt herunterfahren und die Nachfrage in einigen Jahren wieder steigt, kann das problematisch werden“, sagt der Pressesprecher der DRK-Blutspendedienste in Hagen, Friedrich-Ernst Düppe.