Bowies poetisches Rätsel über das Sterben

Die Premiere des Musicals „Lazarus“ sorgt für Jubelstürme. Aber der Star des Abends ist nicht der Hauptdarsteller.

Foto: Lucie Jansch/Schauspielhaus/dpa

Düsseldorf. Nach New York und London ist „Lazarus“ auch in Düsseldorf gelandet. Ob David Bowie damit tatsächlich ein Musical geschrieben hat? Oder doch eher sein eigenes Requiem? Egal. Jedenfalls ist die Show mit Raumschiff, Sonnensegeln, Matratzengruft und Hollywood-Treppen, die jetzt im Düsseldorfer Schauspielhaus zu erleben ist, ein inszeniertes Musik-Spektakel — mit Welthits wie „Life on Mars“, „Heroes“ und „Absolute Beginners“.

Es klingt wie ein Vermächtnis des vielseitig begabten Popstars, der 2016, kurz nach der New Yorker Premiere, an Leberkrebs starb. Gemeinsam mit dem irischen Dramatiker Enda Walsh hatte der schwerkranke Bowie dieses poetische Rätsel über das Sterben verfasst. Und damit seinen Kampf zwischen Hoffnung und Gewissheit des Sterbens zum Thema gemacht. Die Düsseldorfer Premiere wurde mit Ovations-Stürmen für Regieteam und Darsteller gefeiert.

Die Besucher müssen sich einen Weg suchen an Baugruben und Zäunen vorbei. Denn die deutschsprachige Erstaufführung des einzigen Bowie-Musicals geht an und auf einer Großbaustelle am Düsseldorfer Gustaf-Gründgens-Platz über die Bretter. Erstaunlich bleibt es, dass es dem unnachgiebigen Intendanten und Networker Wilfried Schulz trotzdem gelang, „Lazarus“ nach Düsseldorf zu holen. Erstaunlich auch: In den Premieren-Jubel mischten sich keine Missfallensbekundungen über Regisseur Matthias Hartmann wegen der Vorwürfe gegen ihn (s. nebenstehenden Bericht).

Zurück zur Handlung, die eigentlich gar keine ist. Die Fantasien und Lazarus’ Ängste vor dem ewigen Leben, die angereichert sind mit 16 Bowie-Songs (vier davon schrieb er für das Musical), knüpfen an den Film „Der Mann, der vom Himmel fiel“ (1976) an. Darin spielte Bowie die Hauptrolle — einen Außerirdischen aus fernen Galaxien, der auf der Erde landete.

Im Musical ist er 40 Jahre älter, heißt Newton, hat ein Vermögen mit Energiegeschäften gemacht. Und leidet an inneren Dämonen. „Ich bin ein Sterbender, der nicht sterben kann“, klagt er. Und ertränkt seine Qualen in Gin. So dekorieren Gin-Flaschen sein Matratzenlager unterhalb des Raumschiffs (Bühne: Volker Hintermeier). Newton (Hans Petter Melø Dahl) sitzt in der Kuppel, auf einem Commander-Sitz, der wie ein Behandlungsstuhl ausschaut. Alles ist startklar zum Aufbruch. Doch da tauchen immer wieder bizarre Typen auf, die ihn an vergangene Liebe erinnern oder ihm zu Diensten sind — ein namenloses Girl (Lieke Hoppe), seine Assistentin Elly (Rose Enskat). Und das junge Paar Ben und Maemi (Stefan Gorski und Marie Jensen), das gerade heiraten will.

Reale Figuren, die aber unwirklich bleiben. Der Hauptdarsteller Hans Petter Melø Dahl, der Bowie verblüffend ähnlich sieht, wirkt anfangs als Performer schwach, steigert sich zum Finale hin, holt dann richtig aus und wird leise, wenn er „Heroes“ anstimmt und das Raumschiff abhebt.

Derjenige, der allen die Schau stiehlt, ist André Kaczmarczyk als Valentine, in der Originalfassung eher ein langweiliger Serienkiller. Hartmann zaubert daraus eine Mischung aus Dämon und Diva, eine Transgenderfigur, die Frauen und Männer betört. Lasziv, frivol, mit funkelndem Mephisto-Lächeln und einer Stimme, die sich in das Gedächtnis eingräbt. Und das nicht nur nach „Dirty Boys“. Eine Entdeckung ist dieser Kaczmarczyk als lüsterner Bösewicht und Todesengel, der durch Spiel, Gesang und Tanz fasziniert und stärker bejubelt wird als der Hauptdarsteller. Eine solche Theater-Erscheinung hat es in Düsseldorf lange nicht mehr gegeben!

Fazit: Große Show, die es mit Broadway-Produktionen aufnehmen kann. Story schwach, Musik stark. Besonders die Band dreht auf und verströmt einen recht typischen Bowie-Sound. Auch beim Gesang kommen David- Bowie-Fans auf ihre Kosten.

Tickets (erst ab April wieder): Telefon 02 11/36 99 11.

dhaus.de