Bretonische Algenpest: Bauern unter Verdacht
Tourismus oder Landwirtschaft? Eine Region bangt um ihr Image — und ihre Wirtschaftskraft.
Paris. Die Reiseführer schwärmen von einer bezaubernden Dünenlandschaft, türkisfarbenem Wasser und malerischen Steinhäuschen. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus an der Bucht von Saint-Brieuc im Norden der Bretagne.
36 tote Wildschweine wurden dort im Juli am Sandstrand gefunden, mitten im nach faulen Eiern stinkenden, grün-braunen Algenschlamm. Die Faulgase, die die Algen beim Vermodern absondern, waren wahrscheinlich für den Tod der Borstentiere verantwortlich.
Die Algen könnten sogar Menschen gefährlich werden, warnen Biologen jetzt. Vor zwei Jahren starb ein Arbeiter, der beim Abtransport der Algen geholfen hatte, an einem Herzstillstand, der möglicherweise durch die giftigen Gase ausgelöst wurde. Außerdem erstickte ein Pferd an den fauligen Dämpfen am Strand, der Reiter wurde von Spaziergängern bewusstlos aufgefunden.
Dass die Faulgase lebensgefährlich sein können, hatte im August 2009 ein Regierungsgutachten bestätigt. An einigen Strandabschnitten wurde laut Umweltministerium das Doppelte einer tödlichen Dosis Schwefelwasserstoff gemessen.
Im Frühjahr 2010 legte die Regierung dann einen 134 Millionen Euro teuren Aktionsplan auf, der Kompostieranlagen für die Algen und einen sparsameren Einsatz von Dünger in der Landwirtschaft vorsah — für Umweltschützer der Hauptgrund für die „Killeralgen“.
Dennoch gelangen weiterhin jährlich rund 70.000 Tonnen Nitrat ins Meer, wie die Umweltpartei Europe Ecologie im vergangenen Herbst mitteilte. „Das landwirtschaftliche Modell muss sich auf alle Fälle ändern“, fordert die Umweltorganisation France Nature Environnement (FNE).
Neben Düngemitteln sind es vor allem die Fäkalien aus der intensiv betriebenen Schweinezucht, die die Umweltschützer für das enorme Algenwachstum verantwortlich machen.
Doch Präsident Nicolas Sarkozy kam den gescholtenen Landwirten Anfang Juli zu Hilfe. „Es ist absurd, Schuldige auszumachen, mit dem Finger auf die Landwirte zu zeigen, die schon große Fortschritte in dieser Sache gemacht haben“, sagte er bei einem Treffen zur Algenpest. Kein Wunder: Die Landwirtschaft ist der stärkste Industriezweig in der Bretagne — noch deutlich vor dem Tourismus.