Brexit-Votums: Wird der Tourismus ein Gewinner?
London (dpa) - Wer in diesem Sommer nach Großbritannien reist, kann sich die Hände reiben. Der Absturz des britischen Pfunds macht den Aufenthalt dort billiger. Ein Lichtblick trotz der düsteren Prognosen vieler Wirtschaftsexperten für die Zukunft des Landes?
London (dpa) - Wer in diesem Sommer nach Großbritannien reist, kann sich die Hände reiben. Der Absturz des britischen Pfunds macht den Aufenthalt dort billiger. Ein Lichtblick trotz der düsteren Prognosen vieler Wirtschaftsexperten für die Zukunft des Landes?
„Tourismus und Freizeit können unter einem Brexit weiter wachsen“. Das sagte Nick Varney, Chef des Branchenverbands British Hospitality Association, kürzlich auf einer Fachkonferenz in London. Einerseits könnten die Briten Experten zufolge künftig mehr Urlaub im eigenen Land machen. Andererseits locke der Absturz des Pfunds mehr Gäste aus dem Ausland an, meint Varney. Das Pfund als Krisenbarometer war nach der Entscheidung für einen Austritt aus der EU erstmals seit 1985 zeitweise unter die Marke von 1,28 US-Dollar gerutscht.
Anton Papenfuß aus Leipzig ist nach England gereist, um seinen Bruder zu besuchen: „Der macht jetzt seine Ausbildung hier.“ Er habe seine Reise spontan gebucht, unabhängig vom Brexit-Votum, erzählt der 27-Jährige. Aber das stark unter Druck geratene Pfund könnte solche Touren einfacher machen. „London ist extrem teuer.“ Papenfuß weiß, wovon er spricht. „Ich habe hier studiert und musste für einen sechs Quadratmeter kleinen Raum umgerechnet 700 Euro zahlen.“
Eine Kanadierin findet den Gedanken, jetzt mehr fürs Geld in Großbritannien zu bekommen, verführerisch. „Das kann mich beeinflussen, dort mal wieder Urlaub zu machen“, sagt die 19-Jährige bei einem Zwischenstopp auf dem Londoner Airport Heathrow.
Ist denn in der Metropole an der Themse schon etwas von einem vermehrten Gästeansturm in den vergangenen Wochen zu spüren? Ein britischer Touristenführer winkt ab: „Hier in London wird sich nichts ändern, hier ist doch schon jede Menge los!“ Verwundert sei er aber, wie viele Fragen vor allem die Besucher aus den USA zum Brexit stellten. Auch eine Angestellte eines Budget-Hotels ist gelassen: „Wir sind in den Sommermonaten sowieso immer ausgebucht.“
Großbritannien sei kein klassisches Reiseland wie Spanien mit seinen Stränden, gibt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband zu bedenken. „Es ist eher ein Städte-, Studien- und Rundreiseziel.“ Mit einer Ausnahme: „Bei den Kurzreisen der Deutschen ins Ausland landete Großbritannien im vergangenen Jahr auf Platz 4 der Top Ten.“
London steht dabei hoch in der Gunst. 62 Prozent der Deutschen, die 2015 eine Kurzreise nach Großbritannien machten, wählten nach Angaben der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen die Multi-Kulti-Stadt an der Themse als Ziel. Niemand wisse, wie sich das britische Pfund weiter entwickle und den Tourismus im Vereinigten Königreich beeinflusse, betont Schäfer. „Letztlich ist das wie der Blick in die Glaskugel.“
Und andersherum: Können sich künftig weniger Briten eine Reise nach Deutschland leisten? Im vergangenen Jahr wurden laut Statistischem Bundesamt 2,56 Millionen Ankünfte und 5,54 Millionen Übernachtungen britischer Touristen in Deutschland registriert. „Das bedeute den vierten Platz im Ranking der Top-Quellmärkte“, sagt die Vorstandsvorsitzende der Deutschen Zentrale für Tourismus, Petra Hedorfer.
Die ersten drei Plätze gingen an die Niederlande, Schweiz und USA. Die meisten Briten in Deutschland ziehe es nach Berlin - beliebt seien aber auch München, Frankfurt und Hamburg. Die Folgen eines Ausstiegs aus der EU seien noch nicht absehbar, meint Hedorfer.
Sollten die Briten tatsächlich in Zukunft genauer aufs Geld schauen müssen, dürfte das nach Einschätzung des weltgrößten Reisekonzern Tui vor allem die Branche auf den Balearen und Kanaren, in Griechenland, der Türkei und der Karibik zu spüren bekommen. Denn dorthin flögen die Briten bisher am liebsten. So sind sie nach Medienberichten die zweitgrößte Besuchergruppe in Griechenland und gaben dort in den letzten zehn Jahren über 16 Milliarden Euro aus, wie ein griechischer Fernsehsender meldete.