Wirtschaftsbeziehungen Brüssel bietet London nur Handelsabkommen nach dem Brexit
Luxemburg (dpa) - Die Europäische Union bietet Großbritannien nach dem Brexit viel weniger enge Wirtschaftsbeziehungen als gewünscht.
Da das Land nach dem EU-Austritt 2019 auch den Binnenmarkt und die Zollunion verlassen wolle, sei nicht mehr als ein Handelsabkommen möglich, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Mittwoch in Luxemburg. Das EU-Parlament will diese Position nächste Woche unterstützen. Sie bedeutet eine Absage an Vorschläge der britischen Regierung. Doch die sieht darin vorerst nur den Auftakt eines Verhandlungspokers.
Premierministerin Theresa May hatte am Freitag eine beispiellose und besonders tiefe künftige Partnerschaft vorgeschlagen, mit der einzelne Branchen über besondere Vereinbarungen faktisch weiter Zugang zum EU-Binnenmarkt hätten. Tusk legte nun einen Gegenentwurf vor, über den die 27 bleibenden EU-Länder Ende März entscheiden. Darin heißt es, die Tiefe der künftigen Beziehungen sei wegen der britischen Vorgaben begrenzt. „Dies wird leider negative wirtschaftliche Konsequenzen haben.“
Großbritannien will raus aus dem Binnenmarkt, um die Zuwanderung aus der EU zu begrenzen. Die Zollunion will Großbritannien verlassen, um eigene Handelsabkommen mit Drittländern schließen zu können. Trotzdem will May einen möglichst reibungslosen Handel ohne Zölle und einen Erhalt von Liefer- und Produktionsketten über Grenzen hinweg. Die EU wirft ihr deshalb „Rosinenpicken“ vor.
Das von Tusk anvisierte Freihandelsabkommen ginge weniger weit als Mays Ideen. „Ein solches Abkommen kann nicht dieselben Vorteile bieten wie eine Mitgliedschaft und kann nicht bedeuten, dass man am Binnenmarkt teilnimmt oder teilweise teilnimmt“, heißt es im Entwurf. Das bekräftigte Tusk bei einer Pressekonferenz in Luxemburg: „Es gibt keine Möglichkeit, eine Art exklusiven Binnenmarkt nur für einige Teile der Wirtschaft zu schaffen.“
Tusk betonte, man wolle eine so enge Partnerschaft, wie sie eben möglich sei. „Der Vorschlag zeigt, dass wir keine Mauer zwischen der EU und Großbritannien bauen wollen. Das Vereinigte Königreich wird unser nächster Nachbar sein und wir wollen nach dem Brexit Freunde bleiben.“ Sein Entwurf lässt auch ein Hintertürchen offen: Sollte London seine Position überdenken, sei auch die EU dazu bereit.
Als Eckpunkte für das Freihandelsabkommen nennt er im Entwurf unter anderem: eine „Zoll-Zusammenarbeit“ ohne Zölle und Quoten; die Beschränkung anderweitiger Handelshemmnisse; die Möglichkeit, Dienstleistungen anzubieten - aber nur im Rahmen dessen, was für ein Drittland möglich ist.
Die großen Fraktionen des Europaparlaments beschreiben die künftigen Beziehungen zu Großbritannien ein einem gemeinsamen Resolutionsentwurf sehr ähnlich. Darüber soll nächste Woche abgestimmt werden. Nur Binnenmarkt und Zollunion erlaubten wirklich reibungslosen Handel und den Erhalt aller Vorteile in den Wirtschaftsbeziehungen, heißt es darin.
Nach der jetzigen Position Großbritanniens werde es hingegen wieder Zollkontrollen an den Grenzen geben müssen, was globale Lieferketten behindern werde. Ein Handelsvertrag werde auch nur begrenzten Zugang für Dienstleistungen gewähren. Großbritannien werde sogenannte Passporting-Rechte für Finanzdienstleister und das Recht auf Gründung von EU-Filialen unter britischem Recht verlieren.
Der britische Schatzkanzler Philip Hammonds nannte die EU-Position am Mittwoch „keine schlechte Eröffnungsstrategie“ für die Verhandlungen. Doch hielt er in einer Rede klar dagegen: „Ein Handelsabkommen wird nur zustandekommen, wenn es fair ist und die Interessen beider Seiten ausgleicht“, sagte Hammond. Ohne Einbeziehung von Dienstleistungen sei dies schwerlich möglich.
Dienstleistungen sind bei Weitem der wichtigste Wirtschaftssektor in Großbritannien und für rund 80 Prozent der Wertschöpfung verantwortlich. Dazu gehören neben Finanzdienstleistern wie Banken und Versicherungen auch Universitäten, private Krankenhäuser, Architekturbüros und Werbeagenturen.
Großbritannien wird die EU im März 2019 verlassen. Nach einer etwa zweijährigen Übergangsphase müssen in Großbritannien ansässige Banken und Finanzdienstleister damit rechnen, ihre Dienste nicht mehr ohne Weiteres in der EU anbieten zu können.
Eine knappe Mehrheit der Briten hatte 2016 für den EU-Austritt gestimmt. Vor knapp einem Jahr hatte die Regierung den Verhandlungsprozess gestartet. Der Ausstiegsvertrag mit Eckpunkten der künftigen Beziehungen soll bis Oktober stehen.