Bücher 2010: Bestseller & Nobelpreisträger
Berlin (dpa) - Vor allem Sachbücher sorgten 2010 für Aufregung. Jonathan Safran Foer entfachte mit „Tiere essen“ eine leidenschaftliche Diskussion über gesunde Ernährung und auch die Bücher von Jugendrichterin Kirsten Heisig, „Das Ende der Geduld“, und Natascha Kampusch über ihr Martyrium im Kellerverlies („3096 Tage“) erregten die Öffentlichkeit.
Vor allem aber Thilo Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ (DVA) erhitzte die Gemüter. Dabei verkaufte es sich blendend - wochenlang stand es an der Spitze der Bestsellerlisten. Große Nachfrage dürfte es im Weihnachtsmonat auch nach Werken des Literaturnobelpreisträgers Mario Vargas Llosa geben.
Der peruanische Schriftsteller lenkte den Blick der Welt durch seine Auszeichnung auf die Literatur Lateinamerikas. Sein neues Buch „El sueño del celta“ (Der Traum des Kelten) wird allerdings erst im Sommer auf Deutsch erscheinen. Für eine kleine Überraschung sorgte die 42-jährige ungarische Serbin Melinda Nadj Abonji. Sie erhielt für ihren autobiografischen Roman „Tauben fliegen auf“ den Deutschen Buchpreis. Die Auszeichnung für die beste deutschsprachige Neuerscheinung ging damit erstmals an jemanden, dessen Muttersprache nicht Deutsch ist. Mit Spannung wurde in diesem Jahr das neue Buch von US-Autor Jonathan Franzen erwartet. Neun Jahre nach seinem Welt- Bestseller „Die Korrekturen“ stellte er seinen Familienroman „Freiheit“ (Rowohlt) persönlich in Deutschland vor.
Thilo Sarrazin gab unter dem Druck der Kritik an seinen umstrittenen Aussagen zu Migration und Integration zwar seinen Job im Bundesbank-Vorstand auf, legte aber dafür mit einer Gesamtlauflage von aktuell fast 1,2 Millionen eine Blitzkarriere als Skandalautor hin.
Art und Vielzahl von Sarrazins Auftritten standen auch für ein anderes Phänomen in der Literaturszene: Mit immer größerem Kalkül und ausgefeilter Marketingtechnik bedienen sich Verlage der Medien- Maschinerie. Dabei wird das Buch zur Bühne, der Autor zum Medienstar, der oft noch in derselben Nacht, in der seine Bücher per Lkw an die Laderampen der Buchhändler gefahren werden, im Fernsehen bei „Beckmann“, „Menschen bei Maischberger“ oder „Anne Will“ auftritt. Viele Wochen, bevor ein Buch überhaupt in den Druck geht, werden bereits Exklusivgeschichten, Textauszüge und Interview-Termine an die Medien vergeben.
Wie erbittert das Geschäft um Autoren, Rechte und Lizenzen geworden ist, zeigte auch der „Wechsel“ von Mario Vargas Llosa von Suhrkamp zu Rowohlt. Dass sein neues Werk bei dem Verlag in Reinbek verlegt wird, wurde offenbar selbst vom Autor als für Suhrkamp so kompromittierend empfunden, dass der 74-Jährige seine ehemalige Verlegerin Ulla Berkéwicz in einem Brief umschmeichelte: „Du bist meine Verlegerin jetzt wie zuvor, und ich hoffe, dass Du es auch in der Zukunft sein wirst.“
Verlage konzentrieren sich immer stärker auf potenzielle Bestseller. Mit Hochglanzpapier und aufwendigen Anzeigen wurden in diesem Jahr so unter anderem auch die neuen Bücher von Cornelia Funke („Reckless: Steinernes Fleisch“, Dressler), Ken Follett („Sturz der Titanen“, Bastei Lübbe), Ildiko von Kürthy („Endlich!“, Wunderlich) und John Grisham („Das Gesetz“, Heyne) unter das hungrige Lesevolk gebracht. Bei den Sachbüchern verkauften sich auch Peter Seewalds Gespräche mit Papst Benedikt XVI. („Licht der Welt“, Herder) und Peer Steinbrücks „Unterm Strich“ (Hoffmann und Campe) bestens.
Die Autobiografie des Rolling-Stones-Gitarristen Keith Richards „Life“ verhalf Heyne-Verleger Ulrich Genzler zum Titel „Verleger des Jahres 2010“. Genzler habe ein „untrügliches Gespür für Buch- Bestseller“, so die Begründung des Branchenmagazins „Buchmarkt“. Auch das Werk von Stanley Buchthal und Bernard Comment („Marilyn Monroe - Tapfer lieben“, Fischer Verlag) über private Notizen, Gedichte und Kochrezepte von Filmlegende Marilyn Monroe befeuerte die Feuilletons.
Noch liegen die Bücher des Herbstes auf den festlich geschmückten Tischen der Händler, schon schickt das Frühjahr 2011 seine ersten literarischen Boten voraus: Philip Roth, Peter Handke, Mario Levi, Martin Suter, Arno Geiger, Orhan Pamuk, Margriet de Moor, Siri Hustvedt und Martin Walser werden neue Bücher vorlegen. Unterhaltsam bis spannend die Sachbuchthemen: sie reichen von der Suche nach Liebe und dem Sinn des Lebens bis zu Büchern über Islamismus, Terrorismus, Internet und Klimakatastrophe.
Die Buchbranche schätzt, dieses Jahr zumindest mit einem leichten Plus von etwa einem Prozent abzuschließen. Hoffnungsvoll blickt man auf das Weihnachtsgeschäft, das aber etwas schleppend verläuft. „Kälte, Schnee und Eis hemmen die Kauflust“, so der Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Großes Kopfzerbrechen wird vielen Verlagen auch im kommenden Jahr vor allem die Umstellung auf digitale Publikationsformen bereiten. Längst geht es nicht mehr nur ums E- Book.