Christo schnürt ein Luftpaket in Oberhausen
Oberhausen (dpa) - Mit der Verhüllung des Reichstags lockte Christo die Massen nach Berlin. Jetzt ist der Künstler mit einer monumentalen Skulptur im Oberhausener Gasometer zurück.
„Big Air Package“ ist der Name des Projekts. Ins Deutsche übersetzt heißt das so viel wie: riesiges Luftpaket. Was wenig glanzvoll klingt, füllt beinahe den kompletten Innenraum des beeindruckenden Industriedenkmals im Ruhrgebiet. Christo selbst verspricht den Besuchern ein „Bad aus Licht“. Von diesem Samstag an bis zum 30. Dezember können Besucher die transparente selbsttragende Hülle von innen und außen besichtigen.
Mit einer Höhe von gut 90 Metern und einem Durchmesser von 50 Metern sei das Big Air Package „eine der größten Skulpturen der Weltkunst“, schreiben Projektleiter Wolfgang Volz und der Kurator der begleitenden Ausstellung, Peter Pachnicke, auf einer Infotafel. Als Besucher liest man das und legt dann den Kopf in den Nacken. Wie ein riesiger aufgeblasener Kaugummi ragt Christos Luftpaket empor. Viereinhalb Kilometer eines starken Seils sind drumherumgewickelt. Das „Paket“ scheint zu leuchten, dabei kommt das nur vom Tageslicht, das durch Oberlichter auf die lichtdurchlässige Hülle fällt.
Man könne im Inneren stehen, staunen, sitzen, liegen, sagte Kurator Pachnicke bei der Vorstellung des Projekts am Freitag. Zusammengesetzt wurde die Skulptur aus mehr als 20 000 Quadratmetern eines feinen weißen Kunstoffgewebes.
Zum Vergleich: Die Hamburger Elbphilharmonie ist 110 Meter hoch, also gar nicht so viel höher als Christos selbsttragendes „Package“. Bei solchen Dimensionen macht sogar der 77-Jährige beim Erzählen große Augen - obwohl er gemeinsam mit seiner inzwischen gestorbenen Frau Jeanne-Claude nicht nur den Reichstag, sondern zum Beispiel schon die Pariser Brücke Pont Neuf oder einen Küstenabschnitt in Australien verhüllt hat. An die bedeutendsten Projekte aus fünf Jahrzehnten erinnert eine Werkschau, die auf der untersten Gasometer-Ebene das „Big Air Package“ ergänzt.
Schon 1968 hatten Christo und Jeanne-Claude ein Luftpaket zur Documenta IV in Kassel aufrichten lassen. Heute lächelt Christo ein wenig über sein „5600 Cubicmeter Package“ von einst. „Dieses Projekt ist 30 Mal größer“, sagt Christo mit Blick auf die 177 000 Kubikmeter in Oberhausen.
Noch einen Unterschied zu seinen früheren Luftpaketen gibt es. „Die Packages aus den 60ern konnten nur von außen angeschaut werden, jetzt ist es das erste Mal, dass die Besucher das Air Package von innen erleben können“, erzählt Christo. Er bezeichnet den Innenraum des Projekts als den „außergewöhnlichsten Aspekt“ von allen „Air Packages“, die er in den vergangenen Jahrzehnten realisiert habe.
Und wenn man dann dort - im Inneren - steht, weiß man auch, was Projektleiter Volz und Kurator Pachnicke meinen, wenn sie von einer „Kathedrale des Lichts und der Luft“ schreiben. Im leeren weißen Inneren macht sich Weite breit. Die Anmutung von der etwas eingequetschten Kaugummiblase oder vom Heißluftballon, dem ein gigantischer Metallzylinder übergestülpt wurde, ist plötzlich verflogen. Hinzu kommt eine ganz eigene Akustik.
Für Christo ist es nicht nur eine Rückkehr nach Deutschland, sondern auch ein Wiedersehen in Oberhausen. Im Gasometer hatte er bereits 1999 mit „The Wall“ Aufsehen erregt, einer Installation aus 13 000 Ölfässern. Damals kamen 390 000 Besucher. Und was können Besucher beim „Big Air Package“ erwarten? „Es geht um das Vergnügen, Form und Proportion zu erfahren“, sagt Christo. „Es geht immer um Schönheit.“