Crossfit: Auspowern für Hartgesottene
Schneller, kräftiger, leistungsfähiger: Crossfit ist zu einer Sport-Bewegung geworden, die weltweit Hobby-Athleten begeistert — und an ihre Grenzen bringt. Aber Vorsicht: Crossfit ist nichts für ungeübte Anfänger.
Düsseldorf. Das ist wahrlich kein Training für Weicheier. Schweißgebadete Menschen laufen, rudern, springen Seil. Andere fordern ihre Höchstleistung ab bei Kniebeugen, heben Gewichte oder schwingen Kettlebells, stöhnen bei Klimmzügen und Liegestütze. Da wird einem schon beim Zuschauen ganz schwindelig. Und für Außenstehende besonders verwirrend: Die Sportler, die hier beim Crossfit an ihre Leistungsgrenze gehen — und der eine oder andere sicherlich auch darüber —, lachen, motivieren sich mit High Five, haben einfach Spaß satt beim Work-out, das ihrem Körper alles abverlangt.
Für die einen ist es die härteste Trainingsform der Welt, für andere die effektivste Möglichkeit, in kürzester Zeit ihre Fitness immens zu steigern. Wie die meisten Sport-Trends ist auch Crossfit aus den USA zu uns herübergeschwappt und erobert derzeit auch hierzulande die Fitness-Branche. Doch was verbirgt sich denn eigentlich genau hinter Crossfit? Es handelt sich hierbei um Work-outs, die nicht nur Muskeln aufbauen, sondern zudem Koordination, Kraftausdauer, Schnell- und Maximalkraft, Geschwindigkeit sowie Flexibilität steigern sollen. So weit, so gut. Und wie sieht das in der Praxis aus? Das Kernstück jeder Einheit sind Übungen, die mit sehr hoher Intensität ausgeführt werden. Das Training, auch Work-out of the Day (WOD) genannt, besteht zumeist aus einer Reihe verschiedener Übungen, die in mehreren Runden, einem Zirkel gleich, ausgeführt werden. Dabei muss man entweder eine vorgegebene Zahl an Runden in möglichst geringer Zeit absolvieren oder in einem gewissen Zeitrahmen möglichst viele Runden schaffen.
Dany Petric, Personal Trainer aus Düsseldorf, warnt jedoch vor zu viel Übereifer. „Crossfit ist ein extrem komplexes und dynamisches Training, bei dem der ganze Körper involviert ist. Die Übungen folgen in schnellen Intervallen aufeinander und lassen die Teilnehmer an ihre körperlichen Grenzen gehen. Der Puls arbeitet in hohen Frequenzen. Menschen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen würde ich deshalb von diesem Training unbedingt abraten.“ Wer sich für Crossfit interessiert, dem empfiehlt der Experte, sich erst einmal bei einem Mediziner durchchecken zu lassen, ob man überhaupt für diese Anstrengungen geeignet ist. „Dann ist man auf jeden Fall auf der sicheren Seite“, so Petric, der viele Leistungssportler, darunter diverse Fußball-Profis, zu seinen Kunden zählt. Ist man körperlich gesund und der Doc gibt sein Go, kann es losgehen. „Aber bitte mit Sinn und Verstand“, sagt der Personal Trainer lächelnd. „Wer noch nie nach der Crossfit-Methode trainiert hat, sollte zu Beginn mit einem Trainer arbeiten oder zumindest mit jemandem, der diesen Sport bereits seit längerer Zeit praktiziert. Ansonsten ist die Gefahr zu hoch, die Übungen, die mit sehr viel Körperbeherrschung und Technik zu tun haben, falsch auszuführen und sich dadurch zu verletzen.“
Der Personal Trainer ist selbst ein großer Fan von Crossfit, wie man seinem gestählten Körper ansehen kann. „Ich selbst baue Crossfit mindestens einmal pro Woche in meinen persönlichen Trainingsplan ein. Es gibt wohl keine bessere Alternative, sich selbst derart zu fordern, ist er überzeugt. Die Vielzahl der möglichen Übungen ließen sich immer wieder anders kombinieren. Dadurch würden dem Körper ständig neue Anreize gegeben — perfekt, um richtig fit zu werden — und zu bleiben. „Wobei kann man noch in ein bis zwei Minuten einen derartigen Trainingseffekt erzielen? Wobei verbrennt man in so kurzer Zeit so viele Kalorien?“, sagt der Personal Trainer.
Hinter fast jedem Trend steckt auch eine Geschichte. So auch beim Crossfit. Das Grundprinzip dieses Trainings wurde bereits in den 80er-Jahren von dem amerikanischen Coach Greg Glassman entwickelt — etwa 60 funktionelle Übungen aus dem Gewichtheben, Turnen und der Leichtathletik wurden von ihm wie in einem Baukastensystem immer neu kombiniert. Verbreitet wurde das Crossfit-Konzept vor allem über User-Videos im Internet. Im Jahr 2000 gründete Glassman schließlich mit seiner damaligen Frau Lauren sein Start-up, die Crossfit Inc., aus der inzwischen ein milliardenschweres Unternehmen mit Sitz in Washington D.C. geworden ist. Das Geld wird vorrangig verdient mit der Vergabe von Trainerlizenzen, Kursgebühren und der Bereitstellung von Crossfit-Videos.
Der Hype um Crossfit scheint in den letzten Jahren ungebrochen. Anhand einer Stichprobe von rund 3000 Crossfittern sowie einer Umfrage unter 100 Crossfit-Boxen untersuchte fitogram 2015 erstmals die deutsche Crossfit-Landschaft genauer. Das Ergebnis: In Deutschland trainierten zu diesem Zeitpunkt insgesamt 23.000 Crossfitter in rund 190 Boxen. Die Studie führt an, dass sich seit 2012 die Zahl der Athleten und Athletinnen mehr als versechsfacht habe. Allerdings sei davon auszugehen, dass zum Zeitpunkt der Studie bereits deutlich mehr Crossfit-Locations existierten, kommentierte Fit for Fun die Studie, da in der Untersuchung lediglich die offiziellen Lizenz-Partner von Crossfit USA berücksichtigt worden seien. Bis Oktober 2016 schreibt das Online-Portal fitogram.de von über 230 Crossfit-Boxen.
An Crossfit scheiden sich die Geister der Sportmediziner. Die einen warnen vor zu hohem Verletzungsrisiko bei falscher Ausführung der Übungen, die anderen zitieren wissenschaftliche Hinweise, dass starke Aktivität mehr gesundheitliche Vorteile bringe als moderate. Darauf haben viele Crossfit-Boxen reagiert. Auf der Internetseite von Crossfit Nordlicht in Bremen heißt es etwa: „Egal, ob Hobbysportler oder Wettkampfathlet, Halbstarker oder Oma: Wir passen die Work-outs in ihrer Schwierigkeit immer an euer Level an, damit jeder seine persönliche Herausforderung meistern kann, ohne überfordert zu werden.“ Und das gewährleisteten gut ausgebildete Coaches, unter deren Anleitung lediglich in kleinen Gruppen trainiert würde.
Dany Petric schwört auf Crossfit: „Für richtig fitte Leute ist es das perfekte Training, sich komplett auszupowern.“