Damenmode 2016: Zwischen Realität und Romantik
Berlin (dpa) - Es ist viel Schwung in der Damenmode 2016. So viele Trends wie selten stehen gleichberechtigt nebeneinander. Und viele Modehäuser haben ihre Designer gewechselt: Von dem, was diese Neuen sich ausgedacht haben, kommen die ersten Modelle zum Frühjahr in den Handel.
Der Italiener und Ex-DJ Massimo Giorgetti zum Beispiel entwirft neben seiner Marke MSGM nun auch für das Haus Emilio Pucci. Dort ersetzte er Peter Dundas, der zu Roberto Cavalli ging. Wer noch ein Stück Dior-Mode ergattern will, die vom hochgelobten Raf Simons (47) entworfen wurde: letzte Chance. Die Herbst-Winter-Kollektion 2016/17 wird dann eine neue stilistische Handschrift tragen.
Dynamik und Rastlosigkeit, mit diesen zwei Begriffen könnte man verschiedene Stile überschreiben, mit denen die neue Damenmode in die erste Jahreshälfte 2016 geht. Kleidung und Styling spiegeln ein Pendeln zwischen analoger und virtueller Welt, sie nehmen auf, dass der Kontakt mit verschiedenen Kulturen für viele zwar nicht einfach, aber Alltag ist - auf die immer komplexere Lebenswirklichkeit stellen sich die Designer mit ihren Botschaften ein.
Szenisch kann das am besten der deutsche Altmeister Karl Lagerfeld, der die 80 schon überschritten hat und inzwischen als größter Bühnenbildner der Modewelt gilt: Jede Saison lässt er seine Chanel-Show in einem Themenpark aufführen. Für die Präsentation der Kollektion Frühjahr/Sommer 2016 verwandelte er das Pariser Grand Palais in ein Flughafen-Terminal. Ankommen, Aufbrechen, mobil sein. Ein Leben auf der Überholspur. Trolleys und Trekking-Sandalen sind hier die Accessoires der Saison.
Dass Menschen derzeit aus dramatischeren Gründen unterwegs sind, auch das spiegelt die neue Mode wider. So beschäftigen sich Pierpaolo Piccioli und Maria Grazia Chiuri, die Designer von der italienischen Marke Valentino, intensiv mit Afrika, einem der Fluchtausgangspunkte. Massai-interpretierte Stickereien und bodenlange Gewänder sollen im aktuellen Zeitkontext nicht nur Fernweh stillen, sondern auch Toleranz einfordern. Ähnlich denkt Stella Jean, die zwar die Auswanderungsgeschichte der Italiener thematisierte, aber die Botschaft auch ins Heute verstanden wissen wollte. Ihre These: Wenn sich viele Kulturen auf einem Kleidungsstück „vertragen“, sollte das auch im Zwischenmenschlichen möglich sein. Virtuos entwirft die Designerin mit den italienisch-haitianischen Wurzeln über alle ethnischen Grenzen hinweg. Ihren Namen sollten Modefans sich merken.
Wenn es nicht so zynisch gedacht wäre, könnte man meinen, die Designer seien im Frühjahr/Sommer 2016 von einer der Fluchtrouten inspiriert worden. Von Afrika geht es über das Meer (Thema unter anderem beim italienischen Label Max Mara), über den Balkan (Gypsy-Folklore bei den Italienern Etro oder Alberta Ferretti) - und schließlich in die hiesigen Geschäfte. Bei Miu Miu - der günstigeren Marke des Mailänder Luxuslabels Prada - wirkten die Kleidungsstücke dann so gekonnt-chaotisch gemixt, als hätten die Frauen überstürzt aufbrechen müssen und sich das gerade Greifbare übergeworfen.
Nun will Mode aber nicht nur „Tagesschau“ sein, sie soll auch zum Träumen verführen. Und je härter die Realität, desto weicher der Gegenstoff.
In der strengeren Variante der Nostalgie, dem Viktorianischen Stil, umschließen die Rüschen hochgeschlossen den Hals, fallen die Kleider oft bodenlang, ist düsteres Schwarz mit im Spiel. Das sagt zwar wenig bis gar nichts über das Leben einer modernen Frau aus. Aber Mode muss ja auch nicht immer zwingend logisch sein.