Das lange Warten auf Klarheit

Ein Jahr nach der Air-France-Katastrophe klagen die Angehörigen.

Paris. Wenn Wini Schmidt über seine Tochter Julia (27) und ihren Verlobten Alexander Crolow (26) redet, verklärt sich sein Blick. Er schwärmt von "zwei jungen lebensfrohen Menschen", von exzellent ausgebildeten Juristen. "Die hätten noch einiges gerissen im Leben", sagt Schmidt stockend.

Aber die beiden leben nicht mehr. Vor einem Jahr, in der Nacht vom 31. Mai auf den 1.Juni, riss der Air-France-Airbus A 330 das junge Paar in den Tod. Um 2.14 Uhr gaben die Piloten das letzte Lebenszeichen, dann verschwand "AF 447" nahe der brasilianischen Küste vom Radar und stürzte in den Atlantik. 216 Passagiere, darunter 28 Deutsche, sowie zwölf Besatzungsmitglieder fanden den Tod.

Am Dienstag kämpft Wini Schmidt um schonungslose Aufklärung. Er will genau wissen, was in jener Nacht, in jenen dramatischen letzten Minuten von Julia und Alexander, passiert ist. "Damit man aus Fehlern lernt und damit 228 Menschen nicht umsonst gestorben sind", sagt Schmidt, einer der Sprecher des deutschen Hinterbliebenenverbandes "HIOP-447".

Am ersten Jahrestag der Flugzeugkatastrophe sind sie nach Paris gekommen: mehr als 1200 Angehörige, aber auch Kollegen und Freunde - die meisten Brasilianer, Franzosen, Italiener, Deutsche. Am Dienstag feiern sie einen Trauergottesdienst.

In die Trauer der Angehörigen über den schmerzvollen Verlust ihrer Lieben mischen sich immer mehr kalte Wut und Empörung. Sie richten sich gegen Air France, gegen Airbus und gegen die federführende französische Untersuchungsbehörde. Die deutschen Hinterbliebenen klagen nun gegen Frankreich.

Aber es geht ihnen nicht über Entschädigungen und Geld. Sie dringen auf Wahrheit. Die ruht in Gestalt der Flugschreiber irgendwo in 4000 Metern Tiefe auf dem Grund des Ozeans, der dort so zerklüftet ist wie Schweiz. 20 Millionen Euro haben Air France und Airbus schon für die Suche nach der "Blackbox" ausgegeben - bislang vergeblich.

Längst ist klar, dass die Geschwindigkeitsmesser, die so genannten "Pitot"-Röhrchen, vereist und defekt waren. Die Deutschen lasten Airbus und Air France sowie letzten Endes Frankreich nun einen schweren Verstoß gegen die EU-Richtlinie zur Flugsicherheit, einer Art Frühwarnsystem, an.

"Hätte Paris die Richtlinie eingehalten und die Ausfälle der Pitot-Röhrchen rechtzeitig gemeldet, wäre es möglicherweise nicht zum Absturz gekommen", sagt der Berliner Luftverkehrsexperte Elmar Giemulla.