Mönchengladbach Managerin für die Mobilität der Zukunft

Mönchengladbach · 150 Mobilitätsmanager hat das Land in fünf Jahren ausgebildet. Sie sollen die Verkehrswende in die Städte tragen. Wie Caprice Mathar in Mönchengladbach.

Mönchengladbachs Mobilitätsmanagerin Caprice Mathar auf einem Dienst-Pedelec der Stadtverwaltung vor dem historischen Rathaus in Rheydt.

Foto: Juliane Kinast

Den ersten Schritt zur Verkehrswende macht Caprice Mathar selbst jeden Morgen. Mit dem Pedelec fährt sie von ihrer Haustür im Kreis Heinsberg zum Bahnhof, buxiert das Zweirad in eine Fahrradbox, setzt sich in einen Zug nach Rheydt in Mönchengladbach und läuft die letzten paar hundert Meter vom Bahnsteig bis ins Büro. Sie könnte natürlich auch E-Scooter fahren. „Aber ich bin motorisch so unbegabt und habe Angst, irgendwo gegen zu fahren“, lacht die 29-Jährige. Trotzdem funktioniert sie als Aushängeschild für die Fortbewegung der Zukunft. Und genau die ist Mathars Jobbeschreibung: Sie arbeitet bei der Stadtverwaltung Mönchengladbach als Mobilitätsmanagerin – eine von inzwischen rund 150 im ganzen Land.

Der Lehrgang wurde vom Landesverkehrsministerium zusammen mit der Geschäftsstelle des „Zukunftsnetz Mobilität NRW“ entwickelt. Seit 2014 gab es inzwischen sieben Lehrgänge, der achte mit 25 weiteren Teilnehmern läuft nach Auskunft des Ministeriums derzeit. Sie lernen dabei, wie ein nachhaltiges Mobilitätsmanagement in der Stadtverwaltung verankert werden kann.

„Die Mobilität der Zukunft ist digital, vernetzt und sauberer als heute“, erklärt NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) auf Anfrage. „Die Mobilitätsmanager tragen das Wissen über neue Mobilitätsangebote in die Kommunen und helfen dabei, Verkehrskonzepte vor Ort zu entwickeln und umzusetzen.“ Der Lehrgang sei ein Erfolg und inzwischen bundesweit bekannt. Andere Bundesländer adaptierten das Konzept, so solle eine ähnliche Fortbildung in Niedersachsen sowie in der Oberpfalz angeboten werden.

Caprice Mathar ist studierte Wirtschaftsgeografin und seit 2018 offizielle Mobilitätsmanagerin im Rathaus Rheydt. Ihr Auftrag war einfach: weniger Autoverkehr, mehr Fahrräder und Nahverkehr. Die Ausgangslage indes ist schwierig. Mönchengladbach, erklärt die 29-Jährige, warb noch bis 2014 damit, jedem Autofahrer einen freien Parkplatz bieten zu können. Autofreundlichkeit stand bis zuletzt über allem. „Was andere Städte seit zehn oder schon 15 Jahren machen, machen wir gerade mal seit fünf“, erklärt sie. Zu tun gab es auf dem Weg in die Zukunft also genug. Aber wo anfangen?

Mietradsystem mit der Bank, Carsharing mit Energiekonzern

Mit kleinen Schritten, die auch realistisch sind, lautete Mathars Antwort – etwa einer Taktverdichtung der Busse zwischen Hauptbahnhof und Gewerbegebiet. Und mit Partnern. „Ich kann nichts machen ohne Unterstützung“, erklärt sie. Eine kommunale Verwaltung könne nun einmal nicht selbst ein Mieträderangebot aus dem Boden stampfen. Aber als die Bank Santander auf sie zugekommen sei, weil sie sich ein solches für ihre Mitarbeiter wünschte, da konnte Mathar unterstützen und vernetzen. Letztlich gab Santander die Finanzmittel, Nextbike baute die Infrastruktur auf – und die Mobilitätsmanagerin gondelte zwei Tage lang durch das Stadtgebiet, um kluge Standorte für Stationen zu finden. Ähnlich lief es beim Car­sharing: Mit dem örtlichen Energieversorger und Verkehrsunternehmen NEW erarbeitete sie ein Konzept, wie Elektroautos zum Mieten in der Stadt bereitstehen können – und besorgte die Landesförderung für 20 Ladesäulen. „Ich kenne viele Leute und versuche immer, die richtigen an einen Tisch zu bringen“, erklärt Caprice Mathar. „Wer hat gerade Lust, wer Geld und wer Zeit?“

Und bei der Suche nach Menschen mit Lust, Geld oder Zeit geht sie mittlerweile über die Grenzen Mönchengladbachs hinaus. In einer Pendlerregion nur logisch. Wie kann es gelingen, dass am Gladbacher Hauptbahnhof gemietete E-Autos anderswo abgestellt werden können? Kann der Niederrhein bis hinter die niederländische Grenze durch Mobilstationen vernetzt werden, an denen von einer Verkehrsform auf die andere umgestiegen wird? „Das ist mega spannend“, sagt Mathar. Insbesondere in Zusammenarbeit mit den Niederländern, die oft ein bisschen weniger planten und ein bisschen flotter handelten.

Aktuell ist die Mobilitätsmanagerin besonders mit dem zweirädrigen Verkehr befasst: Die Machbarkeitsstudie für einen Radschnellweg von Krefeld über Willich bis zum Hauptbahnhof Mönchengladbach stehe kurz vor dem Abschluss, die nächste für eine Trasse nach Roermond und perspektivisch auch bis Neuss und Düsseldorf in den Startlöchern. Bei der letzten Erhebung zum sogenannten „Modal Split“ in der Stadt 2010 habe der Radverkehr einen Anteil von nicht einmal sieben Prozent gehabt. „Wir gehen davon aus, dass er jetzt zweistellig ist“, sagt Mathar und wartet gespannt auf die entsprechenden Statistiken im kommenden Jahr.

2020 soll die Verkehrswende in der Verwaltung kommen

Dann steht im Fokus der Verkehrswenderin speziell die eigene Verwaltung. Denn deren 1800 Mitarbeiter sollen von derzeit drei Dutzend Standorten künftig in Rheydt zentralisiert werden. Es gelte zu verhindern, dass die dann alle mit dem Privatauto zur Arbeit pendelten, erklärt Mathar. Dienst-Pedelecs sind schon angeschafft, eine ordentliche Buchungsplattform braucht es aber noch. Auch ein E-Fahrzeug-Pool soll aufgebaut werden, es soll ein optimiertes Jobticket geben und ein zinsloses Darlehen für die Anschaffung eigener Pedelecs.

Allen recht machen kann Caprice Mathar es bei ihrer Arbeit nicht. So kritisiert die Radfahr-Lobby, dass auf der zentralen Innenstadt-Achse nicht schlichtweg ein Fahrstreifen für Radler und Busse freigemacht wird – nach Umweltspur-Vorbild der Landeshauptstadt Düsseldorf. Doch das ist höchst umstritten. Auch mitten in der Verkehrswende noch. Hinzu kommt der akute Mangel an Verkehrsplanern, der ihre Pionierarbeit ausbremst. „Ich brauche keine Fördermittel zu beantragen, wenn ich keine Leute finden, die eine Maßnahme auch umsetzen“, verdeutlicht die junge Frau. Und so macht sie weiter wie bisher. Schritt für Schritt. Aber in eine klare Richtung.