"Hamsterkäufe" und Zivilschutz Das steht im Regierungs-Konzept "Zivile Verteidigung"
Die Regierung überarbeitet nach rund 20 Jahren erstmals wieder ihr Zivilschutzkonzept.
Berlin. Der Kalte Krieg lässt grüßen. Wegen der wachsenden Gefahren durch „hybride Bedrohungen“ überarbeitet die Bundesregierung ihr Zivilschutzkonzept grundlegend. Am 24. August soll das Kabinett darüber beschließen. Das vertrauliche Papier, das unserer Redaktion vorliegt, trägt den Titel „Konzeption Zivile Verteidigung“ — es geht um die Sicherstellung der staatlichen Funktionen und der wichtigsten Versorgungsleistungen für die Bevölkerung im Nato-Bündnisfall.
Mit dem 69-seitigen Papier wird die Konsequenz aus der neuen sicherheitspolitischen Positionsbestimmung im Weißbuch der Bundeswehr gezogen, das im Juli beschlossen worden war. Darin heißt es vor allem mit Blick auf Russland, dass die Gefahr zwischenstaatlicher Konflikte in Europa und seiner Nachbarschaft wieder gestiegen sei. Cyberangriffe auf die Infrastruktur, aber auch Raketenangriffe mit atomaren oder biologischen Waffen werden als mögliche Gefahren genannt.
„So wie sich die Bundeswehr an die Lage anpasst, muss das auch der Zivilschutz tun“, hatte der Präsident des zuständigen Bundesamtes für Bevölkerungsschutz, Christoph Unger, unserer Redaktion bereits im Februar 2015 gesagt. Damals begannen die Arbeiten an dem Konzept, das der federführende Innenminister Thomas de Maizière (CDU) bei der letzten Innenministerkonferenz im Juni seinen Kollegen schon intern vorstellte. Der Terrorismus ist also nicht der Anlass, schon gar nicht die jüngste Anschlagsserie. Das letzte große militärische Zivilschutzkonzept war 1995 vor dem Hintergrund der Auflösung der Blockkonfrontation verabschiedet worden und hatte die massenweise Schließung von Bunkern und den Abbau von Sirenen nach sich gezogen. Kompetenzen wurden damals auf die Länder verlagert. Mit dem neuen Konzept geht es wieder in die andere Richtung; der Bund übernimmt im Nato-Bündnisfall die Verantwortung für die Zivilverteidigung.
Ein Großteil des Konzepts widmet sich der „Aufrechterhaltung der Staats- und Regierungsfunktionen“. So soll die Sicherheit der Stromversorgung und der Informationstechnik der Bundesreinrichtungen überprüft und verstärkt werden. Die Dienstsitze sollen sich nach besser gesicherten Ausweichgebäuden umsehen, in die sie im Notfall kurzfristig ziehen können. Besonders wichtige Infrastruktureinrichtungen sollen gegen nukleare Explosionen „gehärtet“ werden.
Für den zivilen Bereich beschreibt das Konzept die Zuständigkeiten. So soll der Bund die Warnung vor einem militärischen Katastrophenfall zentral auslösen. „Das Warnsystem des Bundes gehört zu den lebens- und verteidigungswichtigen Einrichtungen“, heißt es im Text. Es soll beständig überarbeitet werden. Für notwendige Evakuierungen sollen Bund und Länder ein gemeinsames Konzept entwickeln. Die Länder werden verpflichtet, „Betreuungseinheiten“ zu schaffen, die Notunterkünfte vorbereiten. Es sollen Plätze für ein Prozent der Bevölkerung, das wären deutschlandweit 800000Menschen, geschaffen werden. Auch die Bereitstellung von Sanitätseinheiten und Alarmplänen für die Krankenhäuser ist laut dem Papier Ländersache.
Ein anderer Schwerpunkt ist die Vorsorge vor ABC-Angriffen. Vorrang bei der Ausstattung mit Schutzanzügen und bei der Dekontamination haben demnach die Einsatzkräfte. Geprüft werden soll noch, ob auch für die Bevölkerung Atem- und Körperschutz bereitgehalten werden soll. Der Bau neuer Atombunker ist nicht geplant. Die Reserve an Pockenimpfstoffen und Antibiotika soll aufgestockt werden. Das Konzept befasst sich mit vielen Details, etwa wieviel Medikamente Arzneimittelgroßhandlungen vorrätig haben müssen (für zwei Wochen) und wieviel Trinkwasser jedem im Krisenfall zusteht. Es sind 15 Liter pro Tag. Die Bevölkerung soll auch selbst mitwirken. Es wird geraten, warme Decken, Kerzen, solarbetriebene Ladegeräte und stromnetzunabhängige Radios im Haus zu haben.